Labor
In dieser Serie finden Sie Informationen zu gängigen Nachweismethoden aus dem Apothekenalltag sowie Vorgaben für die Prüfung von Ausgangsstoffen. 
Titelbild: H_Ko / AdobeStock
6 min merken gemerkt Artikel drucken

Verwendung in der Apotheke: Was ist die Nahinfrarot-Spektroskopie?

PTA hält Spektrometer in ein Probegefäß
Mithilfe der Nahinfrarot-Spektroskopie können einige Ausgangsstoffe in der Apotheke auf ihre Identität hin überprüft werden. | Bild: Mareen Fischinger/Westend61

Alle Ausgangsstoffe zur Herstellung von Arzneimitteln müssen vor der Verwendung auf ihre Identität hin überprüft werden. Eine Vielzahl von Wirk- und Hilfsstoffen lässt sich mithilfe der Nahinfrarot-Spektroskopie eindeutig identifizieren. 

Die NIR-Spektroskopie ist als allgemeine Methode zur Identitätsprüfung zahlreicher Ausgangsstoffe im Europäischen Arzneibuch enthalten. Das Messverfahren ist einfach durchzuführen und hat in den letzten Jahren im Apothekenlabor stark an Bedeutung gewonnen.

Was versteht man unter Nahinfrarot-Strahlung?

Übersicht verschiedener Lichtstrahlen
Übersicht verschiedener Lichtstrahlen | Bild: Werz A.: Chemisch-pharmazeutische Übungen für PTA, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2024

Lichtstrahlen können als elektromagnetische Wellen beschrieben werden. Die einzelnen Wellen unterscheiden sich dabei in ihrer Wellenlänge und Frequenz. Je kürzer dabei die Wellenlänge und je höher die Frequenz, desto energiereicher sind die einzelnen Lichtstrahlen. 

Unser Auge kann nur einen kleinen Teil der elektromagnetischen Wellenstrahlung wahrnehmen – dieser Bereich wird als sichtbares Licht bezeichnet und liegt zwischen 380 nm und 780 nm.

Zu kleineren Wellenlängen hin schließt sich zwischen 100 nm und 380 nm der Bereich der ultravioletten (UV-)Strahlung an.

Direkt an dem vom menschlichen Auge als rot sichtbaren Bereich liegt die Infrarot-Strahlung, auch bekannt als Wärmestrahlung. Die wichtigste IR-Strahlungsquelle ist dabei die Sonne. Je nach Wellenlänge kann der Bereich der Infrarot-Strahlung weiter unterteilt werden:  

  • Nahinfrarot-Strahlung (NIR): 780 bis 2.500 nm
  • Mittlere Infrarot-Strahlung (MIR): 2.500 bis 25.000 nm
  • Ferne Infrarot-Strahlung (FIR): 25.000 nm bis 1.000.000 nm

NIR-Spektroskopie kommt in Apotheken zum Einsatz

Für analytische Zwecke kann sowohl die MIR- als auch die NIR-Strahlung eingesetzt werden. Beide Analysemethoden werden im Europäischen Arzneibuch beschrieben. 

MIR-Strahlung spielt bei der IR-Spektroskopie eine Rolle, diese Methode ist unter 2.2.24 beschrieben und findet in zahlreichen Arzneibuch-Monografien Anwendung als Prüfung auf Identität. Die IR-Spektroskopie wird aber überwiegend in der pharmazeutischen Industrie eingesetzt. 

Für den Einsatz in der Apotheke eignet sich aus praktischen Gründen die NIR-Spektroskopie, diese ist im Arzneibuch unter der Methode 2.2.40 zu finden.

Gut zu wissen: NIR-Spektroskopie als anerkannte Methode

Können die im Arzneibuch angegebenen Prüfungen nicht mit der üblichen Laborausstattung einer Apotheke durchgeführt werden, lässt die Apothekenbetriebsordnung ausdrücklich den Einsatz alternativer Prüfmethoden zu. Diese müssen zu gleichen Ergebnissen führen wie die ursprünglichen Arzneibuch-Methoden. 

Die Nahinfrarot-Spektroskopie gilt dabei in der Apotheke als anerkannte Prüfmethode zur Prüfung von Ausgangsstoffen auf ihre Identität.

Was sind die Vorteile der Nahinfrarot-Spektroskopie?

NIR-Messungen können ohne große Vorbereitung der Probe durchgeführt werden und laufen ohne nennenswerten Substanzverlust ab. Es müssen keine weiteren Chemikalien eingesetzt werden, wodurch der Umgang mit Gefahrstoffen reduziert wird. Die Messungen sind schnell durchzuführen und liefern ein zuverlässiges Ergebnis. 

Als größter Nachteil galten lange Zeit die hohen Anschaffungskosten, allerdings sind die Preise für entsprechende Geräte deutlich gesunken.

Welche Substanzen können mittels NIR-Spektroskopie vermessen werden?

Eine Spektroskopie beruht darauf, dass Moleküle einer zu vermessenden Probe mit den Strahlen interagieren können. Bei der NIR-Spektroskopie werden chemische Bindungen zu Schwingungen angeregt und die Strahlung einer bestimmten Wellenlänge von der Verbindung absorbiert. Die daraus erhaltenen Daten werden von einer Software mathematisch aufbereitet und es kann ein charakteristisches Spektrum erhalten werden. 

Grundsätzlich können mithilfe der NIR-Spektroskopie nur organische Verbindungen analysiert werden. Untersucht werden können Pulver, halbfeste Zubereitungen und Flüssigkeiten. Anorganische Salze gehen mit Infrarot-Strahlen keine Wechselwirkung ein und können daher nicht vermessen werden.

Bei organischen Substanzen werden im Wellenlängenbereich der NIR-Strahlen Schwingungen der C-H-, N-H-, O-H- und S-H-Bindungen angeregt. Mithilfe der dadurch erhaltenen Spektren können in der Apotheke eine Vielzahl von Ausgangsstoffen identifiziert werden. 

Das Spektrum wird dafür mit einem gesicherten Referenzspektrum computergestützt unter Einsatz statistischer Methoden verglichen. Die Gerätehersteller bieten den Apotheken einen Zugriff auf ihre umfangreiche Referenzdatenbank an. Diese Referenzdatenbank muss validiert sein und regelmäßig aktualisiert werden.

Zur Erinnerung: Was bedeutet Validierung?

Eine Messmethode gilt als valide, wenn das Ergebnis der Messung die Wirklichkeit abbildet. Diese Validierung muss im Rahmen der Qualitätssicherung mit wissenschaftlichen Methoden überprüft werden.

Methoden der NIR-Spektroskopie: Vermessen von Substanzen

Bei der NIR-Spektroskopie kommen zwei verschiedene Messmethoden zum Einsatz. Dabei wird zwischen der Vermessung von Feststoffen und halbfester bzw. flüssiger Substanzen unterschieden.

Feststoffe können nach einer diffusen Reflexion vermessen werden. Dazu trifft die NIR-Strahlung auf die Probe und die Strahlung wird von der Substanz zurückgeworfen. Eine Probenvorbehandlung ist dabei nicht nötig.

Handspektrometer Apotec® NIR wird in Probegefäß gehalten
NIR-Messung im Probegefäß mit dem Handspektrometer Apotec® NIR | Bild: https://www.apotec.de/sortiment/identitaetspruefung/apotec-nir-system/bal-apotec-nir-2023-07-printer.pdf?cid=cmh

Die Messsonde des Spektrometers wird dabei direkt im Liefergefäß auf die Substanzoberfläche gehalten. Zur Messung ist eine Probendicke von 2 mm nötig, bei kristallinen Feststoffen ungefähr 10 mm. 

Der eigentliche Messvorgang dauert nur wenige Sekunden. Das erhaltene NIR-Spektrum wird im Gerät direkt mit der Referenzdatenbank abgeglichen. Somit liegt das Ergebnis nach weniger als einer Minute vor. 

Nach der Messung müssen alle Produktrückstände vom Messkopf entfernt werden. Der Messkopf wird dazu mit 2-Propanol 70 % und einem fusselfreien Tuch abgewischt.

Vermessung halbfester und flüssiger Substanzen

jeweils eine Keramikprobenschale mit einer halbfesten und flüssigen Substanz
Keramikprobenschalen mit halbfester, pastöser Substanz und flüssiger Substanz | Bild: https://www.apotec.de/sortiment/identitaetspruefung/apotec-nir-system/nir-folder-2023-06-low.pdf?cid=i25

Eine direkte NIR-Messung von halbfesten Zubereitungen und Flüssigkeiten ist im Liefergefäß nicht möglich, da diese die Strahlung nicht ausreichend zurückstreuen. 

Daher werden die Substanzen auf einer Keramikprobenschale vermessen. Die Strahlung durchdringt dabei die Probe und wird von der Schale zurückgeworfen.

Apo-ident als weiteres Gerät für die Apotheke

NIR-Spektrometer Apo-ident
NIR-Spektrometer Apo-ident | Bild: https://www.hiperscan.com/produkte/apo-ident

Eine NIR-Messung kann auch mithilfe eines Labortisch-Gerätes durchgeführt werden, erhältlich ist dazu das Analysegerät Apo-ident.

Zur Messung wird die Analysesubstanz mit einer Mindestfüllhöhe von 2 mm in ein Probenglas gefüllt. Bei halbfesten oder flüssigen Substanzen wird ein Stempel aufgesetzt. 

Das erhaltene Spektrum wird wieder mit hinterlegten Referenzspektren verglichen und zur Auswertung wird ein Ampelsystem eingesetzt. 

Bei einer eindeutig identifizierten Substanz leuchtet eine Lampe grün, bei einem gelben Signal müssen zur Bestätigung der Identität weitere Prüfungen durchgeführt werden. Das betrifft Substanzgruppen wie Fette und Wachse, deren Spektren sich häufig nicht eindeutig voneinander unterscheiden lassen. Bei einem roten Licht ist eine Prüfung nicht durchführbar. Quellen:
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2020/daz-17-2020/den-schwingungen-auf-der-spur
- Werz A.: Chemisch-pharmazeutische Übungen für PTA, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2024.
- https://www.apo-ident.de/nir-spektroskopie
- https://www.apotec.de/sortiment/identitaetspruefung/apotec-nir-system/#accordion-1-3
 

Zurück