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gut beraten: Reisen mit Arzneimitteln: Mit 80 Tabletten um die Welt

In Bezug auf die Mitnahme von Arzneimitteln sind Reisen innerhalb Deutschlands relativ unkompliziert. Wer jedoch ins Ausland möchte und auf Medikamente angewiesen ist, muss einiges beachten. Dabei ist es nicht immer einfach, gesicherte und tagesaktuelle Informationen zu erhalten. Gute Quellen können zum Beispiel das Auswärtige Amt, die Konsulate des jeweiligen Reiselandes und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sein.

Nur eigene Arzneimittel mitnehmen

Natürlich dürfen und müssen benötigte Arzneimittel mit in den Urlaub genommen werden. Damit es aber keine Probleme bei der Einreise gibt, müssen die Arzneimittel für den eigenen Bedarf bestimmt sein und sollten nicht in größeren Mengen mitgeführt werden, als es für die Aufenthaltsdauer erforderlich ist. Es ist nämlich nicht erlaubt, dem Freund, den man im Ausland besucht, Arzneimittel mitzubringen, weil diese in seinem Land gerade nicht verfügbar sind. Das Auswärtige Amt empfiehlt außerdem, eine ärztliche Bescheinigung mitzunehmen, aus der der individuelle Bedarf hervorgeht. Die Bescheinigung sollte aktuell und für nicht deutschsprachige Länder in Englisch, wenn möglich auch Französisch und/oder Spanisch verfasst sein. So lassen sich Missverständnisse bei einer eventuellen Zollkontrolle vermeiden.

Für Betäubungsmittel gelten übrigens eigene Regeln, und Vorsicht ist bei der Mitnahme von Wirkstoffen geboten, die auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur stehen.

Alles ins Handgepäck

Arzneimittel für den eigenen Bedarf sollten im Handgepäck mitgeführt werden, damit sie jederzeit verfügbar sind – auch für den Fall, dass das aufgegebene Gepäck verloren geht. Sinnvoll ist diese Vorgehensweise auch, weil die Temperatur im Laderaum eines Flugzeugs unter 0 °C sinken kann. Aus Platzgründen werden die Medikamente gern aus der Originalpackung genommen. Das kann aber zu Verwechslungen führen und den Zoll misstrauisch machen, weswegen Arzneimittel immer in der Originalpackung mitgenommen werden sollten, dieoptimalerweise mit Name und Dosierung beschriftet ist.

Bei flüssigen Zubereitungen stellt sich oft die Frage, was als flüssig angesehen wird. Laut Bundespolizei sind darunter alle Substanzen zu verstehen, die bei Raumtemperatur flüssig, zähflüssig, gelartig oder cremig sind. Obwohl Flüssigkeiten nur in Gefäßen bis maximal 100 ml in einem durchsichtigen, wiederverschließbaren 1-Liter-Plastikbeutel mit ins Flugzeug genommen werden dürfen, gilt das nicht für Arzneimittel und Babynahrung, wenn diese glaubhaft benötigt werden. An deutschen Flughäfen werden seit dem 31. Januar 2014 alle Medikamente im Handgepäck durch Spektrometer kontrolliert, die Explosivstoffe sogar in Metallflaschen erkennen können. Im Zweifelsfall entscheidet aber das Flughafenpersonal über die endgültige Mitnahme.

Die genannten Vorgaben gelten jedoch nur für Reisen innerhalb der EU. Für den Urlaub in Nicht-EU-Staaten sollten sich Reisende im Vorfeld unbedingt über die dort aktuell gültigen Vorschriften informieren. Das gilt nicht nur für das Urlaubsziel, sondern auch für mögliche Transitländer.

Das Wichtigste in Kürze

  • Arzneimittel für den Eigenbedarf dürfen für die Dauer des Aufenthalts mit auf Reisen genommen werden. Sinnvoll ist es, den Eigenbedarf durch eine ärztliche Bescheinigung, die man beim Zoll vorlegen kann, nachzuweisen.
  • Für das Mitführen von Betäubungsmitteln ist immer eine Bescheinigung vorgeschrieben. Für Länder des Schengengebiets verwendet man das Formular nach Artikel 75. Für andere Staaten kann man den Leitfaden des INCB benutzen.
  • Privatpersonen dürfen im Ausland gekaufte Arzneimittel nach Deutschland einführen – auch verschreibungspflichtige, aber nur für einen Eigenbedarf von maximal drei Monaten.

Vom Big Apple bis Hollywood

Wer in die USA reisen möchte, muss einiges beachten. Damit die Einreise problemlos abläuft, ist vor der Einreise ein Visum zu beantragen oder ein kostenpflichtiger ESTA-Antrag (Electronic System for Travel Authorization) zu stellen. Zudem sind diverse Einreisebestimmungen zu beachten: Es dürfen zum Beispiel keine Fleischprodukte und Pflanzen eingeführt werden. Für das Mitbringen von Arzneimitteln gelten gesonderte Vorschriften, für die die Food and Drug Administration (FDA) zuständig ist.

Generell ist die Einfuhr von benötigten Arzneimitteln erlaubt – in Mengen des für die Aufenthaltsdauer persönlichen Bedarfs. Dringend empfohlen wird ein ärztliches Attest in englischer Sprache über die Notwendigkeit der Medikation. Die Medikamente gehören ins Handgepäck und sollten bei der Einreise angegeben werden. Handelt es sich um Medikamente mit Suchtpotenzial oder Betäubungsmittel, ist eine ärztliche Bescheinigung in englischer Sprache zwingend vorgeschrieben. Da die Rechtslage in den USA von Bundesstaat zu Bundesstaat variieren kann, sollte bei Zweifeln vor Reiseantritt bei der amerikanischen Botschaft in Berlin oder den Generalkonsulaten in Frankfurt und München nachgefragt werden. Jedem Reisenden sollte klar sein, dass die endgültige Entscheidung über Einreise und Einfuhr von den US-Zollbeamten am Flughafen getroffen wird.

Bei den Pharaonen

Ägypten ist ein beliebtes Reiseziel der Deutschen. Hier sind typische Arzneimittel wie Blutdruck- und Cholesterinsenker oder Schlaftabletten im Reisegepäck ebenfalls erlaubt, es sollten aber einige Regeln beachtet werden. So wird dringend empfohlen, die Arzneimittel in der Originalpackung zu lassen und eine ärztliche Bescheinigung in englischer Sprache über die Notwendigkeit der Einnahme mitzuführen. Dies gilt insbesondere für starke Analgetika wie Tilidin, für Psychopharmaka und für Arzneimittel, die injiziert werden.

Immer wieder ist zu lesen, dass für bestimmte Medikamente eine Genehmigung beziehungsweise Beglaubigung der Ägyptischen Botschaft erforderlich ist. Zurzeit wird diese nur benötigt, wenn die Menge der Medikamente den persönlichen Bedarf für den Reisezeitraum deutlich überschreitet. Da sich derartige Vorgaben (rasch) ändern können, sollten diesbezüglich rechtzeitig vor dem Urlaub die Ägyptische Botschaft in Berlin oder die Konsulate der Arabischen Republik Ägypten in Frankfurt oder Hamburg kontaktiert werden.

Mitgliedsländer des Schengener Abkommens

  • Belgien
  • Dänemark
  • Deutschland
  • Estland
  • Finnland
  • Frankreich
  • Griechenland
  • Island
  • Italien
  • Lettland
  • Liechtenstein
  • Litauen
  • Luxemburg
  • Malta
  • Niederlande
  • Norwegen
  • Österreich
  • Polen
  • Portugal
  • Schweden
  • Schweiz
  • Slowakei
  • Slowenien
  • Spanien
  • Tschechien
  • Ungarn

Betäubungsmittel und Cannabis

Reisende, die für ihre Therapie Betäubungs- oder Substitutionsmittel benötigen, müssen mit einer besonderen Bescheinigung reisen. Nur so lassen sich Probleme mit dem Zoll und der Polizei vermeiden. Für Reisen in die Mitgliedsstaaten des Schengener Abkommens gibt es ein Formular nach Artikel 75 des Schengener Durchführungsübereinkommens, welches auf der Internetseite des BfArM heruntergeladen werden kann. Für jedes mitgeführte Betäubungs- oder Substitutionsmittel ist eine eigene Bescheinigung erforderlich. Generell darf die Arzneimittelmenge den persönlichen Bedarf für 30 Tage nicht überschreiten. Auf dem Formular muss die Praxis die notwendigen Daten zum Arzt, zum Reisenden und zum Betäubungsmittel angeben. Zusätzlich muss das Formular von der zuständigen Landesgesundheitsbehörde – zum Beispiel einem Gesundheitsamt – beglaubigt werden. 

Im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten des Schengener Abkommens ist medizinischer Cannabis seit dem 1. April 2024 in Deutschland kein Betäubungsmittel mehr. Entsprechend ist bei der Einreise das beglaubigte Formular nach Artikel 75 vorzuweisen. Befindet sich das Urlaubsziel außerhalb des Schengengebiets, sollte der Arzt eine mehrsprachige Bescheinigung ausstellen. Für deren Form gibt es jedoch keine Vorschriften. Als Vorlage kann der „Leitfaden für Reisende“ des International Narcotics Control Board (INCB) herangezogen werden. Das Formular muss von der zuständigen Landesgesundheitsbehörde beglaubigt werden.

Die Bestimmungen und welche Arzneimittel überhaupt zu den Betäubungsmitteln zählen, unterscheiden sich zum Teil erheblich von Land zu Land. Es ist daher unerlässlich, sich vor Reiseantritt bei den diplomatischen Landesvertretungen zu informieren. Besonders hohe Auflagen für die Einfuhr von Betäubungsmitteln und Cannabis gelten zum Beispiel im Stadtstaat Singapur und in den Vereinten Arabischen Emiraten.

Bitte kühl lagern

Auch insulinpflichtige Diabetiker möchten verreisen und überlegen, wie das Insulin gekühlt werden kann. Diese Frage stellt sich auch für andere Arzneimittel, wie zum Beispiel Tabletten mit Bromelain oder Augentropfen mit Latanoprost. Dazu sollte man wissen, dass Insulingekühlt wird, damit es länger haltbar ist. Die Ampullen und Pens dürfen durchaus bei Zimmertemperatur gelagert werden: Ungeöffnete Ampullen und Patronen sind bei Raumtemperatur sechs Monate haltbar, bei Temperaturen bis zu 37 °C nur noch zwei Monate. Diese Daten stammen aus einer Cochrane-Metaanalyse, bei der die Daten durch die Auswertung von Laborstudien erstellt wurden. Dennoch gilt es als gesichert, dass Insulin seine Wirksamkeit bei einer Lagerung von nur wenigen Wochen außerhalb des Kühlschranks beibehält.

Was viele Diabetiker ebenfalls nicht wissen: Wenn sie eine Insulinpumpe tragen, stellen viele Hersteller leihweise für den Urlaub eine Pumpe zur Verfügung für den Fall, dass die eigene Pumpe Schaden nimmt.

Andere kühlpflichtige Arzneimittel können mittels spezieller Medikamentenkühltaschen mit in den Urlaub genommen werden. Die Kühltasche gehört ins Handgepäck und sollte im Vorfeld bei der Fluggesellschaft angemeldet werden. Haushaltsübliche Kühltaschen sind übrigens nicht geeignet, da sie die nötige Temperatur zwischen 2 und 8 °C nicht über einen längeren Zeitraum gewährleisten können.

Wie erkläre ich es meinen Kunden?

  • „Natürlich können Sie Ihre Medikamente mit in den Urlaub nehmen. Rechnen Sie vorher aus, wie viele Tabletten Sie für die Aufenthaltsdauer benötigen. Lassen Sie die Tabletten aber bitte in der Originalpackung im Handgepäck. Am besten haben Sie auch eine Bestätigung Ihres Arztes dabei, dass Sie die Medikamente benötigen.“
  • „Damit es bei der Einreise nach Spanien wegen Ihrer Morphiumtabletten keine Schwierigkeiten gibt, lassen Sie dieses Formular von Ihrem Arzt ausfüllen. Anschließend müssen Sie es dann beim Gesundheitsamt beglaubigen lassen.“

Im Urlaub Medikamente kaufen?

In vielen Ländern sind die Preise für Arzneimittel günstiger als in Deutschland und die Verschreibungspflicht wird dort ebenfalls anders gehandhabt. Außerdem versuchen Apotheken im Ausland oft, an den Wünschen der Urlauber zu verdienen, weshalb Appetitzügler sowie Mittel zur Raucherentwöhnung, Verbesserung des Haarwuchses oder zur Behandlung der erektilen Dysfunktion oft ohne große Hürden erworben werden können. Sogar Abnehmspritzen werden mit der Versicherung verkauft, dass die notwendige Kühlung für die Dauer der Reise durch die Verpackung gewährleistet ist. Es geht aber nicht nur um die beliebten und in Deutschland teuren Lifestyle-Produkte: Inzwischen werden beispielsweise auch Antibiotika oder Blutdrucksenker, die in Deutschland nicht lieferbar sind, gern auf Vorrat zu einem günstigen Preis gekauft.

Arzneimittel, die in Deutschland keine Zulassung haben, unterliegen dem sogenannten Verbringungsverbot, das im § 73 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) geregelt ist. Grundsätzlich dürfen also keine Arzneimittel aus dem Aus-land nach Deutschland gebracht werden. Nicht einmal dann, wenn es in Deutschland entsprechende – eventuell sogar gleichnamige – Arzneimittel gibt. Allerdings gibt es eine Ausnahmeregelung für den persönlichen Bedarf. Dabei wird als maximale Menge in der Regel der Bedarf für etwa drei Monate angesehen – berechnet auf Grundlage der Dosierungshinweise in der Packungsbeilage. Dabei ist es unerheblich, ob das Arzneimittel verschreibungspflichtig ist oder nicht. Für das Mitbringen der entsprechenden Menge eines Antibiotikums oder Blutdrucksenkers aus dem Urlaub benötigt man also keine Einfuhrerlaubnis. •

Dorothea Esser

Apothekerin

Erfenstein

autor@ptaheute.de