Meine PTAheute
8 min merken gemerkt Artikel drucken

gut beraten: Ernährung: Gut versorgt in der Stillzeit

Habe ich genügend Milch, damit mein Baby zunehmen kann? Hat es Blähungen, weil ich etwas Falsches gegessen habe? Zur richtigen Ernährung in der Stillzeit existieren zahlreiche Mythen und Ammenmärchen, die nicht wenige Stillende verunsichern. Glücklicherweise konnten viele dieser überlieferten Regeln mittlerweile widerlegt werden. Untersuchungen haben ergeben, dass sich die Muttermilch durch die Ernährung nur sehr begrenzt beeinflussen lässt. Das gilt natürlich nicht, wenn die Frau stark unter- oder mangelernährt ist. Daher ist die Empfehlung der WHO, dass die Mutter nicht von vornherein auf bestimmte Lebensmittel verzichten muss, sie darf alles essen, was sie möchte. 

Auch die in der Schwangerschaft verbotenen Lebensmittel, zum Beispiel rohes Fleisch oder Rohmilchkäse, dürfen wieder verzehrt werden, denn möglicherweise enthaltene Erreger gelangen nicht in die Muttermilch. Durch das Stillen benötigt die Mutter etwa 500 kcal zusätzlich pro Tag, sie braucht also mehr Nahrung als vor und sogar während der Schwangerschaft. Diesen Mehrbedarf sollte die Frau jedoch nicht mit Kalorienbomben wie einer Extra-Portion Süßigkeiten oder einem zweiten Stück Kuchen decken. Stattdessen sollte sie nährstoffreiche Lebensmittel und eine abwechslungsreiche, bunte Kost zu sich nehmen.

Einem Mangel vorbeugen

Auch während der Stillzeit sollte der größte Teil der Energie in Form von Kohlenhydraten zugeführt werden. Gut geeignet sind Vollkornprodukte, Kartoffeln und Reis, da sie zusätzlich Ballaststoffe und Vitamine enthalten. Pro Tag sollten fünf Portionen Obst und Gemüse verzehrt werden. Durch die Milchbildung ist der Eiweißbedarf der stillenden Mutter erhöht, Milch und Milchprodukte sollten täglich auf dem Speiseplan stehen. Wie in der Schwangerschaft benötigt die Mutter auch während der Stillzeit mehr Folsäure. Dieses Vitamin befindet sich unter anderem in Tomaten, Kohl und Vollkornbrot. Auch der Jodbedarf ist in der Stillzeit deutlich erhöht. Da Deutschland zu den Jodmangelgebieten zählt, wird vom Netzwerk „Gesund ins Leben“ empfohlen täglich 100 µg als Tabletten einzunehmen. Zusätzlich sollte Jodsalz verwendet werden. 

Ein guter Jodlieferant ist Fisch, den die Mutter möglichst zweimal pro Woche essen sollte. Seefisch wie Lachs, Makrele oder Hering enthält außerdem wertvolle mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die wichtig für die Gehirnentwicklung und das Immunsystem sind. Regelmäßiger Fischverzehr in der Stillzeit soll zudem Allergien vorbeugen. Um den erhöhten Calciumbedarf auszugleichen, sollte die Stillende regelmäßig Milchprodukte und Nüsse verzehren, Brokkoli und calciumhaltige Mineralwässer mit mindestens 150 mg pro Liter sind ebenfalls gut geeignet. Auch auf eine ausreichende Eisenzufuhr sollte während der Stillzeit geachtet werden. Zwar ist der Bedarf durch das Stillen nicht erhöht, doch die Speicher sind durch die Schwangerschaft und die Geburt leer und müssen aufgefüllt werden. Gute Eisenquellen sind Fleisch, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte.

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Stillzeit darf die Mutter alles verzehren, was sie möchte.
  • Die meisten Babys vertragen das Essen der Mutter, auch blähende Speisen oder saure Lebensmittel.
  • Sie sollte sich jedoch gesund ernähren, besonders achten sollte sie auf ausreichend Folsäure, Jod, Calcium und Eisen.
  • Stillende Frauen benötigen etwa 500 kcal mehr pro Tag.

Für Babys Wohlbefinden

Die Gerüchte, dass der Verzehr von Kohl oder anderen blähenden Speisen zu Blähungen beim Säugling führt und dass Zitrusfrüchte für einen wunden Po verantwortlich sind, kennt wohl jede Mutter. Doch es gibt keine wissenschaftlichen Belege für diese weitverbreiteten Annahmen. Die meisten Babys vertragen das Essen der Mutter ohne Probleme, viele Geschmäcker sind ihnen bereits aus dem Mutterleib bekannt. Der häufigste Grund für Blähungen ist, dass das Baby beim Stillen oder beim Saugen am Schnuller zu viel Luft schluckt. Das kann an einer falschen Stilltechnik liegen, die Mutter sollte sich an ihre Hebamme oder eine Stillberaterin wenden. 

Auch für einen wunden Po gibt es andere Ursachen, zum Beispiel kann ein Infekt oder das Zahnen dazu führen, häufig ist aber kein Grund feststellbar. Vorbeugend keine sauren oder scharfen Lebensmittel zu essen, kann zu Mangelerscheinungen führen. Wenn doch der Verdacht besteht, dass die Ernährung der Auslöser für die Beschwerden ist, kann die Mutter einzelne Lebensmittel für mehrere Tage weglassen und beobachten, was sich verändert. Bessern sich die Beschwerden, kann das Lebensmittel die Ursache gewesen sein. Dennoch bedeutet das nicht, dass die Mutter bis zum Ende der Stillzeit darauf verzichten muss. Da sich das Verdauungssystem des Säuglings weiterentwickelt, verträgt das Baby das Lebensmittel einige Wochen später vielleicht. Nach den Erfahrungen von Müttern reagieren Säuglinge am häufigsten auf Kohl, Zwiebeln, Erdbeeren, Zitrusfrüchte und Schokolade.

Damit das Baby später keine Allergien bekommt, lassen manche Mütter potenzielle Allergene wie Milch, Ei, Nüsse oder Fisch vorsichtshalber weg. Doch auch hiervon sollte man abraten, denn eine Unverträglichkeit tritt nur bei etwa zwei bis drei Prozent der gestillten Säuglinge auf, bei „Flaschenkindern“ kommt sie öfter vor. Am häufigsten werden Kuhmilchproteine nicht vertragen.Das Baby reagiert mit anhaltendem Schreien, Hautausschlägen, Bauchschmerzen, Erbrechen oder Durchfall. Wird der Auslöser weggelassen, bessern sich die Beschwerden nach kurzer Zeit wieder. Die WHO empfiehlt, auch bei Unverträglichkeiten weiterhin zu stillen und nicht auf hypoallergene Säuglingsnahrung zu wechseln.

Genug trinken

Auch ausreichendes Trinken ist wichtig, denn Stillen macht durstig. Die Trinkmenge sollte jeden Tag bei mindestens zwei Litern liegen, wobei sich die Stillende nach ihrem Durstgefühl richten kann. Um das Trinken nicht zu vergessen, hilft es, zu jeder Stillmahlzeit ein Glas Wasser bereitzustellen, manche Frauen benötigen auch nachts ein Getränk. Außer Wasser sind auch verdünnte Säfte oder Tees geeignet, nicht jedoch Softdrinks. Die Milchmenge lässt sich über die Menge an Getränken jedoch nicht steuern, denn zu viel Flüssigkeit wird über die Nieren ausgeschieden. Trinkt die Frau zu wenig, scheidet sie zwar weniger Urin aus, aber es ist noch immer genügend Milch vorhanden. Um die Milchbildung anzuregen, sind zahlreiche Stilltees, zum Beispiel mit Fenchel, Anis und anderen Kräutern, im Handel. Es existieren jedoch keine Belege dafür, dass sie diesen Effekt tatsächlich haben. Wenn die Frau sie gerne trinkt, ist jedoch nichts dagegen einzuwenden. Sie tragen auch zur Entspannung der Mutter bei, denn viele Frauen befürchten, dass sie nicht ausreichend Milch haben.

In der Stillzeit dürfen Kaffee, schwarzer Tee oder andere koffeinhaltige Getränke getrunken werden, jedoch nicht mehr als drei Tassen am Tag. Das entspricht etwa einer Menge von 200 mg Koffein, mehr kann bei Babys zu Unruhe führen. Dagegen ist Alkohol in der Stillzeit weiterhin nicht erlaubt, da dieser auch in kleinen Mengen in die Muttermilch übergeht. Wenn überhaupt, darf nur nach dem Stillen, am besten während der längsten Stillpause, eine kleine Menge getrunken werden. Dann ist der Alkohol abgebaut, bevor das Baby das nächste Mal Muttermilch trinkt.

Vegan oder vegetarisch

Immer mehr Menschen entscheiden sich bewusst für eine Ernährungsweise ohne tierische Produkte und möchten diese auch während der (Schwangerschaft und) Stillzeit beibehalten. Im Allgemeinen ist eine vegetarische Ernährung in der Stillzeit problemlos möglich, wenn sie Milchprodukte und Eier beinhaltet. Gegebenenfalls ist eine zusätzliche Einnahme von Eisen erforderlich. Es wird aus Fleischprodukten besser resorbiert als aus Pflanzen. Schwieriger ist eine vegane Ernährung in der Stillzeit, vor allem die ausreichende Aufnahme von Vitamin B12 aus pflanzlicher Kost. Während die Mutter einen Mangel an Vitamin B12 für eine gewisse Zeit verkraften kann, führt die Minderversorgung beim Neugeborenen zu bleibenden neurologischen Schäden. Dennoch ist eine vegane Ernährung während der Stillzeit möglich, wenn die Mutter die Lebensmittel bewusst auswählt und kombiniert. Die Blutwerte sollten regelmäßig beim Frauenarzt überwacht werden, neben Vitamin B12 ist gegebenenfalls die Einnahme von Eisen, Calcium und Zink erforderlich.

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „Wenn Sie sich in der Stillzeit vegan ernähren möchten, sollten Sie das mit Ihrem Arzt besprechen. Häufig haben Veganerinnen einen etwas zu niedrigen Vitamin-B12-Spiegel. Lassen Sie Ihr Blut untersuchen.”
  • „Ich kann verstehen, dass Sie Ihre alte Figur zurückhaben möchten, aber lassen Sie es langsam angehen. Wenn Sie zu wenig essen, riskieren Sie, dass Ihr Körper weniger Milch bildet.”

Abnehmen?

Viele Mütter möchten nach der Schwangerschaft so schnell wie möglich ihre alte Figur wieder zurückhaben. Der Wunsch ist nachvollziehbar, dennoch sollten Stillende auf strenge Diäten verzichten. Sinkt die Kalorienzahl unter 1.500 kcal pro Tag, verringert sich die Milchproduktion. Außerdem werden im Fettgewebe gespeicherte Schadstoffe freigesetzt, die dem Baby schaden können. Umgekehrt sollten auch sehr schlanke Frauen, die während der Schwangerschaft nur wenig zugenommen haben, nicht deutlich mehr essen, als sie benötigen, denn auch Überernährung wirkt sich negativ aus. Mit einer gesunden Ernährung und an den Gesundheitszustand der Mutter angepassten Bewegung reduziert sich das Gewicht von allein. Gesund ist eine Gewichtsabnahme von bis zu 500 Gramm pro Woche, bis die Frau ihr Normalgewicht erreicht hat.

Ulrike Freese

Apothekerin,

Fachjournalistin

Lüneburg

autor@ptaheute.de