Impfpflicht für Apothekenpersonal?
Impfpflicht von der Politik bislang ausgeschlossen
Schon seit der Entwicklung von Impfstoffen gegen COVID-19 bestehen – neben der großen Freude und Erleichterung über die sehr schnelle Entwicklung und Zulassung – in ähnlich großem Umfang Sorgen darüber, dass es möglicherweise eine staatlich verordnete Impfpflicht geben könnte. Theoretisch möglich wäre die Einführung einer Impfpflicht nach § 20 Infektionsschutzgesetz (IfSG) für bedrohte Teile der Bevölkerung. Dies wurde und wird von der Politik nach wie vor ausgeschlossen. Gleichzeitig gibt es jedoch immer wieder Vorstöße zum Beispiel für eine Impfpflicht für das Pflegepersonal. Die gute Absicht dahinter ist nachvollziehbar: Gerade das Pflegepersonal, das zum Beispiel bei den ambulanten Pflegediensten Hausbesuche durchführt, trägt das Virus womöglich von einem Risikopatienten zum nächsten weiter – also genau das, was verhindert werden soll.
Frage zur Virusübertragung bei Geimpften bislang ungeklärt
Der vom Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder eingebrachte Vorschlag zu einer Impfpflicht für Pflegekräfte wurde jedoch – mit einem ebenfalls stichhaltigen Argument – einhellig zurückgewiesen: Im Moment stehe noch nicht fest, ob mit einer Impfung auch verhindert werden kann das Virus weiter zu geben. Hier wäre also nach aktuellem Wissensstand eine Impfung des Pflegepersonals möglicherweise gar nicht dazu geeignet, die Verbreitung des Virus zu stoppen. Sollten sich aber Erkenntnisse ergeben, wonach man nach einer Impfung auch tatsächlich nicht mehr ansteckend ist, muss eventuell eine neue Abwägung vorgenommen werden. Denn dann wäre das Grundrecht des pflegenden Personals auf körperliche Unversehrtheit gegenüber dem ebenfalls bestehenden Recht der zu pflegenden Personen auf körperliche Unversehrtheit abzuwägen.
Impfpflicht am Arbeitsplatz theoretisch denkbar?
Das Thema Impfpflicht am Arbeitsplatz macht auch einigen Apothekenangestellten Sorgen. Der Kontakt zu Kunden besteht in der Apotheke genauso wie im Einzelhandel – allerdings dürfte der Anteil an potenziell Gefährdeten bei den Apothekenkunden aufgrund von Vorerkrankungen oder Alter höher sein. Im Vergleich zum pflegenden Personal ist es in der Apotheke aber in der Regel durch Einhaltung der Schutzmaßnahmen (Plexiglaswände, Mund-Nasen-Bedeckung und Abstand) möglich, das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Es gibt hier also mildere Mittel der Infektionsabwehr, die die körperliche Unversehrtheit nicht beeinträchtigen.
Für bestimmte Gruppen und Arbeitsplätze gibt es in § 23 IfSG die Möglichkeit, die Leitungen zur Einhaltung von Schutzmaßnahmen zu verpflichten. Das bezieht sich aber im Wesentlichen auf Hygienemaßnahmen von Krankenhäusern und vergleichbaren Einrichtungen. Apotheken sind nicht genannt. Derzeit muss sich also niemand Sorgen machen, dass es zu einer allgemeinen Impfpflicht für Apothekenangestellte kommt.
Kann die Apothekenleitung auf eine Impfung bestehen?
Relevanter kann dagegen die Frage sein, ob einzelne Arbeitgeber versuchen werden, ihr Personal zu einer Corona-Schutzimpfung zu verpflichten. Der Wunsch einer Apothekenleitung, die vielleicht im zurückliegenden Jahr schon von Personalausfällen und -engpässen oder sogar einer vorübergehenden Schließung betroffen war, nach einem Impfschutz für das gesamte Personal ist sicherlich nachvollziehbar. Gleichzeitig dürfen Arbeitgeber immer nur das von den Mitarbeitenden verlangen, wofür es auch eine Rechtsgrundlage gibt. Diese ist aber nicht gegeben, sodass es im Moment unzulässig wäre, von den bereits angestellten Mitarbeitern zu verlangen, dass sie sich impfen lassen.
Impfung als Arbeitsschutzmaßnahme?
Eine andere Einschätzung könnte sich ergeben aus Gesichtspunkten des Arbeitsschutzes. Vergleichbar mit den Hepatitis-Impfungen, die überwiegend vorliegen müssen, bevor eine Mitarbeiterin Blutentnahmen vornimmt, könnten Arbeitgeber eine Corona-Impfung verlangen, wenn in der Apotheke die Beschäftigten einem erhöhten Infektionsrisiko – zum Beispiel durch Schnelltests – ausgesetzt sind. Hiergegen sprechen allerdings zwei Argumente: Zum einen ist nicht einmal die Hepatitis-Impfung verpflichtend, sondern nur eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission. Zum anderen dürfen Apotheken nach den entsprechenden Corona-Testverordnungen nur asymptomatische Personen testen. Hier dürfte es möglich sein, das Ansteckungsrisiko durch entsprechende Schutzkleidung und -maßnahmen zu reduzieren.
Aktuell gibt es also keine Rechtsgrundlage, nach der eine Apothekenleitung die Mitarbeiter zur Impfung verpflichten könnte. Eine Impfpflicht gibt es nicht.
Keine Diskriminierung bei Neueinstellungen
Vorstellbar wäre allerdings, dass Apothekenleiter bei Neueinstellungen darauf achten, nur pharmazeutisches Personal einzustellen, dass über einen Impfnachweis verfügt. Das wäre dann zwar eventuell eine Diskriminierung der „Nicht-Geimpften“, allerdings keine, die das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz untersagt. Eine Hürde für die Apothekenleitungen bestünde dann allerdings darin, dass es keine Verpflichtung gibt, den Impfstatus offenzulegen, sodass sich der Bewerberkreis von vornherein ausdünnen dürfte – keine gute Idee angesichts des Fachkräftemangels.
Belohnungssystem ist theoretisch rechtens
Zulässig dürfte es aber sein, das Personal zu „belohnen“, das sich impfen lässt. Jedenfalls dann, wenn so viel Impfstoff vorrätig ist, dass alle Impfwilligen sich impfen lassen können.
Man sieht: Irgendwann wird es sehr theoretisch und spitzfindig. Wer als Apothekenleitung möchte, dass die Mitarbeitenden sich impfen lassen, sollte auf Aufklärung und Gespräche setzen. Wenn Angestellte verstehen, welche Risiken bestehen und welchen Wert die Impfung für die Apotheke (und die Gesellschaft) hat, können sie auf dieser Basis eine passende Entscheidung treffen.