COVID-19-Impfstoffe zur Schleimhautapplikation
Alle bisher zugelassenen COVID-19-Impfstoffe müssen in den Muskel des Oberarms gespritzt werden. Diese intramuskuläre Applikation führt dann nach einigen Tagen zu einer systemischen Antwort des Immunsystems. Die Vakzine können schwere Verläufe von COVID-19 zwar zuverlässig verhindern, vollständig vor einer Infektion schützen sie jedoch nicht.
Mehrere bislang durchgeführte Studien konnten zeigen, dass die verfügbaren Impfstoffe auch vor asymptomatischen Infektionen und Virusübertragungen gut schützen. Nach vollständiger Impfserie lag dieser Schutz im beobachteten Zeitraum zwischen 80 und 90 Prozent. Und diejenigen Personen, die trotz Impfung einen positiven PCR-Test hatten, wiesen eine deutlich geringere Viruslast und eine verkürzte Dauer der Virusausscheidung auf. Die Corona-Impfstoffe können also eine Virusübertragung in deutlicher Weise reduzieren.
Delta-Variante wirft noch Fragen auf
Die bisher gewonnen Zahlen beziehen sich jedoch auf die Alpha-Variante von SARS-CoV-2, Ergebnisse zur mittlerweile auch in Deutschland vorherrschenden Delta-Variante liegen noch nicht vor. Die Delta-Variante gilt im Vergleich zur Alpha-Variante als deutlich ansteckender, zudem scheint das Risiko sich auch nach einer Impfung anzustecken höher zu sein. Aktuelle Zahlen aus Israel haben gezeigt, dass sich dort nach zweifacher Impfung mit dem Präparat von Biontech/Pfizer wieder mehr Geimpfte anstecken. Daher kann davon ausgegangen werden, dass das Virus auch durch vollständig geimpfte Personen weitergegeben werden kann.
Weiterentwicklung der Impfstoffe
Durch eine Weiterentwicklung der Corona-Impfstoffe versuchen Forscher eine Infektion mit dem Erreger vollständig zu verhindern. Möglich soll dies durch nasal oder oral zu applizierende Vakzine sein. SARS-Co-V-2 befällt den Körper nämlich über die Schleimhäute von Mund oder Nase und diese Schleimhäute verfügen über ein eigenes Immunsystem zur Abwehr von Krankheitserregern.
Gut zu wissen: Das Immunsystem der Schleimhäute
Die Schleimhäute des Menschen stehen an ihrer Oberfläche in ständigem Kontakt mit körperfremden Erregern. Als erste Abwehrlinie gegen Pathogene haben diese deshalb ein eigenes Immunsystem. Dieses spezielle Abwehrsystem wird als Mukosa-assoziiertes-lymphatisches Gewebe (MALT) bezeichnet und besteht aus einer Ansammlung von lymphatischem Gewebe unter der Schleimhaut. Dieser Anteil des Immunsystems ist unter anderem im Nasen-Rachen-Bereich und im Magen-Darm-Trakt zu finden. Dort auftreffende Antigene können durch M-Zellen in den Schleimhäuten absorbiert und zu speziellen Lymphfollikeln transportiert werden. Nach der Antigenpräsentation von B-Lymphozyten werden dort schützende Immunglobuline A und M gebildet. Durch diese Antikörper-Bildung kann der Erreger unschädlich gemacht und der Eintritt in den Körper verhindert werden.
Wenn es nun möglich ist über Impfstoffe dieses spezielle Immunsystem zu aktivieren, kann das Virus direkt beim ersten Kontakt mit den Schleimhäuten eliminiert werden. Eine Erkrankung könnte dann nicht mehr auftreten, auch eine Weitergabe des Erregers wäre zuverlässig unterbunden. Beim Menschen bereits zugelassene Impfstoffe zur Anwendung auf den Schleimhäuten sind beispielsweise ein oraler Impfstoff gegen Rotaviren (Rotarix®) und ein nasaler Impfstoff gegen Influenza zur Anwendung bei Kindern (Fluenz®). Bei beiden Präparaten handelt es sich um attenuierte, also abgeschwächte Lebendimpfstoffe.
Nasale Applikation
Zum Schutz vor einer SARS-CoV-2-Infektion werden momentan mehrere Vakzine zur Schleimhautapplikation in verschiedenen Entwicklungsstadien getestet. Ein nasal anzuwendender Impfstoff mit einem attenuierten Lebendvirus des US-amerikanischen Unternehmens Codagenix in Kooperation mit dem Serum Institute of India befindet sich momentan in der klinischen Phase I. Die Vakzine enthält alle Proteine des Coronavirus, so dass eine Wirksamkeit auch gegen mögliche Varianten von SARS-CoV-2 angestrebt wird. Durch die nasale Applikation gelangt der Impfstoff direkt in die Zellen der Nasenschleimhaut und kann dort seine Schutzwirkung entfalten.
Impfung auch durch Einnahme einer Tablette möglich
In Zukunft könnte es vorstellbar sein, dass eine Impfung auch durch die Einnahme einer Tablette möglich wäre. Das Unternehmen Vaxart aus Kalifornien überprüft seinen Impfstoff momentan ebenfalls in der klinischen Phase I. Dabei handelt sich um einen Vektor-Impfstoff, bei dem das Erbmaterial des Coronavirus mit Hilfe eines Adenovirus ins Innere der menschlichen Zellen gelangen soll. Der Aufbau ähnelt den beiden bisher zugelassenen Vektorimpfstoffen von AstraZeneca und Johnson & Johnson, die galenische Formulierung und der Ort der Wirkung ist aber anders. Der Impfstoff kann als Tablette geschluckt werden, wirkt dann direkt im Dünndarm und soll die Schleimhaut im Magen-Darm-Bereich zur Produktion von Antikörpern veranlassen.
Forschung zu Schluckimpfung auch in Deutschland
Auch deutsche Forscher arbeiten an neuen Ansätzen zur Impfung gegen das Coronavirus. Ein Projekt der Universität Würzburg zur Schluckimpfung befindet sich noch in der präklinischen Phase. Die orale Vakzine enthält lebende Typhus-Bakterien. Diese sind gentechnisch dahingehend verändert worden, dass sie zwei unterschiedliche Antigene von SARS-CoV-2 bilden können. Nach dem Schlucken einer magensaftresistenten Kapsel löst sich diese im Dünndarm bei höheren pH-Werten auf und die Antigene können über die Darmschleimhaut aufgenommen und dem Immunsystem präsentiert werden. Die Hoffnung der Wissenschaftler ist nun, dass dadurch eine Immunantwort des Körpers ausgelöst wird, die alle Schleimhäute betrifft. Das Virus könnte also direkt auf den Schleimhäuten eliminiert werden und gar nicht erst in den Körper eindringen.
Klinische Phasen müssen noch durchlaufen werden
In den einzelnen klinischen Phasen muss sich das Präparat noch bewähren. Sollte der Impfstoff es aber bis zur Zulassung schaffen, wäre das sicherlich eine enorme Erleichterung bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Die Hartkapseln wären einfach zu verabreichen und auch für Länder geeignet, in denen eine permanente Kühlung eines Impfstoffs bei niedrigen Temperaturen nicht so einfach durchzuführen wäre.