Was sind eigentlich Faszien?
Sie sind fein, wenige Millimeter dünn und durchziehen unseren gesamten Körper wie ein Netz: die Faszien. Lange Zeit galten sie als bloßes Verpackungsmaterial für unsere Muskeln, doch neuere Studien zeigen etwas anderes.
Diese oft übersehenen Strukturen können eine große Rolle bei Rückenschmerzen und Sportverletzungen, Biomechanik und Beweglichkeit spielen. Selbst der Muskelkater könnte eigentlich ein Faszienkater sein, sagt ein deutscher Experte.
Faszien: kollagenes Bindegewebe im Körper
Im engeren Sinne bezeichnen Faszien eine dünne Schicht aus kollagenem Bindegewebe, das Muskeln, aber auch Organe umgeben kann.
In der medizinischen Literatur wird der Begriff jedoch auch weiter gefasst und Faszien als alles Bindegewebe mit hohem Kollagenfaseranteil verstanden. Faszien werden in oberflächliche, tiefe und viszerale Faszien eingeteilt.
Oberflächliche Faszien sind elastisch und dehnbar und verlaufen direkt unter der Haut. Sie dienen u. a. als Fettspeicher. Tiefe Faszien umhüllen Muskeln und Knochen. Sie haben einen hohen Kollagenanteil und sind daher besonders zugfest. Viszerale Faszien wiederum liegen um die inneren Organe und kleiden Körperhohlräume aus.
Welche Funktion haben Faszien im Körper?
Faszien ziehen sich wie ein Netz durch den ganzen Körper und halten dadurch jene Körperteile, die sie umschließen, an ihrem Platz. Gleichzeitig verbinden sie zum Beispiel Muskeln miteinander und unterstützen sie in ihrer Spannkraft.
„Faszien sind sensorisch unglaublich wichtig“, betont Jan Wilke, Sportwissenschaftler und Faszienforscher an der Universität Bayreuth. Zum einen enthielten sie Propriozeptoren, die Informationen über Bewegung, Druck und Spannung in verschiedenen Geweben lieferten.
Zum anderen würden sie auch Schmerzwahrnehmungen verursachen. „Tatsächlich sind Faszien vermutlich schmerzsensibler als Muskeln“, so Wilke – eine Aussage, die durch mehrere Studien der vergangenen Jahre gestützt wird.
„Faszien sind ein hochsensibles, mechanisch wichtiges und potenziell schmerzauslösendes Gewebe (...).“
Faszienkater statt Muskelkater?
Forschende vermuten daher, dass ein Teil der bis dato als unspezifisch diagnostizierten Rückenschmerzen auf Probleme im Fasziengewebe zurückzuführen sind.
Zudem legen neue Studien nahe, dass Muskelkater nicht – wie bislang angenommen – durch Mikroverletzungen, Entzündungen oder Laktatansammlungen im Muskelgewebe entsteht, sondern auf eine Verdickung und Versteifung der schmerzempfindlichen Faszien zurückzuführen ist. „Es ist wahrscheinlich sinnvoller, von einem ‚Faszienkater‘ zu sprechen“, bemerkt der Sportwissenschaftler Jan Wilke.
Mit Blick auf das fasziale Bindegewebe könnten laut Wissenschaftlern auch bislang unerklärliche Zusammenhänge erklärt werden. Bei Läufern beispielsweise wisse man, dass Schmerzen an der Fußsohle mit einer Verhärtung am hinteren Oberschenkel zusammenhängen.
Demnach könne es sein, dass aufgrund des Faszien-Netzes eine Problematik im Körper an einer anderen, weit entfernten Stelle nach Wochen Beschwerden bereiten kann.
Faszien im Alter geschmeidig halten
Mit zunehmendem Alter verändert sich das Fasziengewebe, was Einfluss auf Beweglichkeit und Gesundheit haben kann. Dank bildgebender Verfahren weiß man, dass Faszien aus mehreren Schichten bestehen, zwischen denen sich lockeres Bindegewebe mit Hyaluronsäure befindet.
„Mit Bewegung wird die Hyaluronsäure flüssiger und sorgt dafür, dass die Faszienschichten reibungslos gegeneinander gleiten können“, erklärt Wilke. „Und das ist ganz wichtig für unsere Beweglichkeit und deren Erhalt.“
Schon 2011 ergab eine im Fachmagazin „BMC Musculoskeletal Disorders“ publizierte Arbeit, dass bei Rückenschmerzpatienten diese Gleitfähigkeit oft stark reduziert ist, was die Schmerzen weiter verstärken könnte.
Lohnt sich gezieltes Faszientraining?
Wenn nun die Faszien eine derart wichtige Rolle spielen, könnte es naheliegen, sie durch gezieltes Training anzusprechen. Doch Sportwissenschaftler Wilke betont, dass es kein isoliertes Faszientraining gibt: „Natürlich trainiert man immer einen Komplex.“ Bewegung, die multidirektional und dynamisch-federnd sei, tue den Faszien gut.
Besonders Menschen, die sich wenig bewegen, sollten darauf achten, ihre Faszien durch vielfältige Bewegungen zu stimulieren. Hier kann auch der Einsatz von Hartschaumrollen hilfreich sein, doch Wilke warnt davor, es zu übertreiben: „Es gibt keine klaren Belege dafür, dass intensives Rollen schädlich ist, aber man sollte mit Vernunft an die Sache herangehen.“
Neuere Forschungen legten zudem nahe, dass für eine optimale Behandlung der Faszien gar nicht so viel Druck nötig ist, wie bislang angenommen. Vielmehr könnten auch sanftere Bewegungen etwa Schmerzen dämpfen, führt Wilke aus. Quelle: dpa / mia, DocCheck