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Untersuchung an Mäusen liefert neue Erkenntnisse: Schmerzen lindern mit Geräuschen?

In Tierversuchen wurde festgestellt, dass leise Klänge das Schmerzempfinden positiv beeinflussen. | Bild: rawpixel.com / AdobeStock

Dass Geräusche Schmerzen unterdrücken können, ist schon länger bekannt. Unklar war aber bisher, auf welche Weise dies geschieht. Nun wurden Wissenschaftler bei Mäusen fündig. Sie konnten die neuronalen Mechanismen entschlüsseln, über die die analgetische Wirkung zustande kommt. Von diesen Erkenntnissen, die im Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlicht wurden, erhofft man sich auch Impulse für eine sanfte Schmerzbehandlung beim Menschen. 

Nur leise Geräusche wirken analgetisch

Das internationale Forscherteam setzte Mäuse, die entzündete Pfoten hatten, drei Arten von Klängen aus: einem harmonischen klassischen Musikstück, einer unangenehm klingenden Bearbeitung dieser Musik sowie einem sogenannten weißen Rauschen (also einem eintönigen Geräusch, das dem Gehirn hilft, Umgebungsgeräusche zu unterdrücken). 

Vom Ergebnis waren die Wissenschaftler überrascht: Alle drei Geräuscharten – egal wie angenehm oder unangenehm sie klangen – führten dazu, dass die Mäuse weniger schmerzempfindlich waren. Sie hielten dann stärkere Berührungen an den Pfoten aus. Allerdings zeigte sich diese Wirkung nur, wenn die Klänge leise waren (ungefähr in Flüsterlautstärke). Wurden die gleichen Geräusche lauter abgespielt, bewirkten sie bei den Tieren keine Schmerzreduktion mehr. 

Hörrinde mit Regionen der Schmerzwahrnehmung verbunden

Um herauszufinden, welche Schaltkreise im Gehirn für die verminderten Schmerzreaktionen der Mäuse verantwortlich sind, setzten die Forscher nichtinfektiöse Viren ein. An diese koppelten sie fluoreszierende Proteine, um so die Verbindungen zwischen den entscheidenden Hirnregionen aufspüren zu können. 

Es zeigte sich: Die leisen Geräusche hemmten Nervenbahnen, die von der Hörrinde zum Thalamus ziehen. Die Hörrinde ist jener Bereich der Großhirnrinde, der akustische Informationen empfängt und verarbeitet. Der Thalamus befindet sich im Zwischenhirn und ist die Schalt- und Integrationszentrale für sämtliche Sinneseindrücke, inklusive Schmerzen. Die Hörrinde ist also funktionell mit Regionen der Schmerzwahrnehmung verbunden. Im Kontrollversuch ließ sich das bestätigen: Durch künstliche Aktivierung der Nervenbahnen wurden die Mäuse wieder schmerzempfindlicher. 

Denkbare Alternative zu Opioidtherapie

Noch ist unklar, ob beim Menschen ähnliche Gehirnprozesse ablaufen. Zudem könnte es für die menschliche Schmerzempfindung eine Rolle spielen, ob die eingesetzten Klänge als harmonisch empfunden werden. Schließlich hat Musikhören auch viel mit Emotionen zu tun. Und diese könnten die Schmerzwahrnehmung ebenfalls beeinflussen. 

Mit zukünftigen Studien an Menschen soll geprüft werden, ob sich die tierexperimentell gewonnenen Erkenntnisse übertragen lassen. Dies könnte die Entwicklung von sicheren Alternativen zur Opioidtherapie voranbringen, hoffen die Forscher. Quellen: Science, 7 Jul 2022; Eurek!Alert (www.eurekalert.org)