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Bei Herzinsuffizienz besser auf Brausetabletten verzichten

Glas mit Wasser und Braustablette löst sich darin auf
Natriumhaltige Präparate wie einige Paracetamol-Brausetabletten erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen signifikant. | Bild: New Africa / AdobeStock

Neben Tachyarrhythmien (Kombination aus Herzrhythmusstörung und schneller Herzschlag), Infektionen und einem erhöhten Blutdruck können auch bestimmte Arzneimittel wie nichtsteroidale Antirheumatika, Glucocorticoide und kardiotoxische Onkologika sowie eine erhöhte Natrium- oder Flüssigkeitszufuhr zur Dekompensation einer chronischen Herzinsuffizienz führen. 

Aus diesem Grund hat die American Heart Association im Jahr 2016 eine Liste herausgegeben, die vor der Einnahme dieser Arzneimittel – insbesondere von stark natriumhaltigen Arzneimitteln wie intravenösem NaCl, Antibiotika und natriumhaltigen Brausetabletten – bei Patienten mit Herzinsuffizienz warnt. 

Bis heute ist der tatsächliche Einfluss solcher Arzneimittel nur unzureichend geklärt. Die gängigen Leitlinien empfehlen betroffenen Patienten, die tägliche Aufnahme auf 1,5 bis maximal 3 g Natrium zu begrenzen.

Zur Erinnerung: Was versteht man unter Dekompensation?

Eine Dekompensation liegt vor, wenn bestimmte Defizite durch den Körper nicht mehr ausgeglichen (d. h. kompensiert) werden können. Bei einer dekompensierten Herzinsuffizienz kann die nachlassende Pumpleistung des Herzens nicht mehr durch Gegenregulationsmechanismen wie z. B. eine Erhöhung des Gefäßwiderstands aufgefangen werden.

Verschlechtern Paracetamol-Brausetabletten eine Herzinsuffizienz?

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich gehört Paracetamol zu einem der am häufigsten eingesetzten Analgetika. Insbesondere Brausetabletten erfreuen sich dort ­aufgrund ihrer einfachen Anwendung großer Beliebtheit. So waren laut nationalem Gesundheitsregister in Frankreich im Jahr 2017 allein 18 Millionen Packungen Paracetamol-Brausetabletten an die 66,7 Millionen Einwohner abgegeben worden. 

Wissenschaftler wollten nun wissen, inwiefern die Einnahme von Paracetamol-Brause­tabletten zu einer akuten Verschlechterung einer Herzinsuffizienz und einer damit verbundenen Krankenhauseinweisung führen könnte. 

Als Auswertungsgrundlage dienten Daten des französischen Gesundheitssystems. Da Paracetamol bei chronischen Erkrankungen in Frankreich erstattungsfähig ist, kann laut Studienautoren – anders als in Deutschland – die Zahl der im Handverkauf abgegebenen Paracetamol-Packungen vernachlässigt werden. Als Studiendesign wählte die Arbeitsgruppe das Fall-Crossover-Design.

Gut zu wissen: Wie funktioniert das Fall-Crossover-Studiendesign?

Bei diesem Studiendesign wird jeder Patient mit sich selbst als Kontrolle verglichen. Dabei werden Daten zu verschiedenen Zeitpunkten erhoben.

Ein Vorteil dieses Designs besteht darin, dass insbesondere wichtige nicht messbare Verzerrfaktoren wie das Essverhalten, die Ethnien oder ein Genotyp, der zu einem salzsensitiven Phänotyp führt, nicht ins Gewicht fallen.

Mehr Krankenhauseinweisungen bei Paracetamol-Brausetabletten

Im Auswertungszeitraum zwischen dem 1. Januar 2014 und dem 31. Dezember 2016 wurden insgesamt 4.301 Patienten (Durchschnittsalter: 83 Jahre) aufgrund einer akuten Verschlimmerung der Herzinsuffizienz in ein Krankenhaus eingeliefert. 

Es zeigte sich, dass im Risikozeitraum von 15 Tagen vor der Krankenhauseinweisung mit 5,7 Prozent signifikant mehr Patienten Paracetamol-Brausetabletten verordnet bekommen hatten als in den drei Kontrollzeiträumen von 30 bis 45 Tagen, 60 bis 75 Tagen und 90 bis 105 Tagen vor der Hospitalisierung. 

Dabei stieg das Risiko für eine Krankenhauseinweisung mit steigender Paracetamol-­Dosierung. Auch in den beiden Subgruppen (Patienten mit Bluthochdruck und Personen über 83 Jahre) fiel auf, dass sie häufig vor der Krankenhauseinweisung auf die lösliche Form des Analgetikums zurückgegriffen hatten. 

Bei der Kontrollanalyse, in der die Forschenden die Einnahme von nicht zuvor aufgelöstem Paracetamol auswerteten, konnte keine signifikante Assoziation festgestellt werden.

Herzinsuffizienz-Patienten von Brausetabletten abraten

Verschiedene Hypothesen könnten diese Umstände erklären: So kann neben der erhöhten Flüssigkeitsaufnahme auch die erhöhte Natrium-Aufnahme die Wirksamkeit der als Komedikation eingesetzten Diuretika her­abgesetzt und damit die Dekompensation der Herzinsuffizienz begünstigt haben. 

Zudem konnte die Arbeitsgruppe in einem vorherigen Versuch zeigen, dass die tägliche Einnahme von 3 g Paracetamol den Blutdruck im Schnitt um 4 mmHg erhöht. Auch so eine geringe Blutdruckerhöhung könnte laut den Autoren ­insbesondere bei älteren Patienten (Subgruppe zwei) die Verschlimmerung einer Herzinsuffizienz triggern.

Die Wissenschaftler schlussfolgern, dass die Anwendung von Paracet­amol-Brausetabletten möglicherweise die Dekompensation einer chronischen Herzinsuffizienz begünstigen könnte. In der Beratung in der Apotheke sollte daher laut den Autoren solchen Patienten explizit von der Einnahme von Brausetabletten abgeraten und stattdessen auf andere Darreichungsformen zurückgegriffen werden.

Natriumhaltige Paracetamol-Tabletten auch für Gesunde kritisch

Auch eine britische Forschergruppe kommt in einer im „European Heart Journal“ publizierten Studie zu dem Ergebnis, dass der Natrium-Gehalt von Paracetamol-haltigen Tabletten sich negativ auf das Outcome von Patienten mit und ohne Bluthochdruck auswirkt. 

Dazu hatte die Arbeitsgruppe um Zeng C et al. zwei Kohortenstudien durchgeführt: In der ersten wurden in der elektronischen Patientendatenbank „The Health Improvement Network“ Daten von Patienten mit Bluthochdruck ausgewertet (Durchschnittsalter: 73,4 Jahre). In der zweiten wurden aus der gleichen Datenbank Daten von Patienten ohne Bluthochdruck (Durchschnittsalter: 71,0 Jahre) ausgewertet. 

In der Bluthochdruck-Gruppe hatten 4.532 Patienten ein natriumhaltiges Paracetamol-Präparat eingenommen und 146.866 Patienten ein natriumfreies Paracetamol-Arzneimittel. In der zweiten Kohorte ohne den Risikofaktor Bluthochdruck waren es entsprechend 5.351 und 141.948 Personen.

Erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Anschließend verglichen die Wissenschaftler in beiden Kohorten die Rate an kardiovaskulären Erkrankungen (Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz) sowie die Gesamtmortalität innerhalb des Follow-up-Zeitraums von einem Jahr nach der Einnahme eines natriumhaltigen bzw. natriumfreien Paracetamol-Präparats.

Es zeigte sich, dass im Vergleich zu natriumfreien Präparaten das relative Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Gesamtmortalität nach der Einnahme von natriumhaltigem Paracetamol in beiden Kohorten knapp 50 Prozent höher lag.

Natriumhaltige Arzneimittel als solche kennzeichnen

Die Stärken der Studie liegen laut einem zur Studie gehörenden Editorial in den Sensitivitätsanalysen, die Störfaktoren wie den Body-Mass-Index, Alkoholkonsum, Raucherstatus und sozioökonomische Faktoren berücksichtigten. 

Die Wissenschaftler fordern, künftig stark natriumhaltige Arzneimittel (auch lösliche Antazida) eindeutiger zu kennzeichnen. Darüber hinaus sollte die Bevölkerung sensibilisiert werden, stark natriumhaltige Arzneiformen wie Brausetabletten (auch Vitamin-Brausetabletten) und dispergierbare Tabletten zu meiden. Quellen:
- Perrin G et al. Association Between Exposure to Effervescent Paracetamol and Hospitalization for Acute Heart Failure: A Case-Crossover Study. J Clin Pharmacol 2022 doi: 10.1002/jcph.2027;
- Schulte A, Neal B. The sodium hidden in medication: a tough pill to swallow. European Heart Journal, ehab888, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehab888;
- Zeng C et al. Sodium-containing acetaminophen and cardiovascular outcomes in individuals with and without hypertension. European Heart Journal 2022;00:1–14, Doi: 10.1093/eurheartj/ehac059
 

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