Aktuelles
6 min merken gemerkt Artikel drucken

Antikörper in „klein“ (Teil 1 von 2): Was sind Nano­bodies und was haben sie mit Alpakas zu tun?

Nanobodies werden unter anderem aus Schwerketten-Antikörpern aus Lamas, Alpakas, Dromedaren, Kamelen und Haien gewonnen. | Bild: Chopard Photography / AdobeStock

Antikörper kennt man – auch in den Publikumsmedien ist der Begriff dank Corona zwischenzeitlich angekommen: Der Körper bildet sie bei einer natürlichen SARS-CoV-2-Infektion oder nach COVID-19-Impfung. Alternativ können im Labor hergestellte Antikörper als Arzneimittel zur Behandlung oder Vorbeugung eingesetzt werden. Dies macht man sich aktuell auch bei Corona zu Nutze

Daneben werden Antikörper auch bei vielen weiteren Erkrankungen angewendet. Das Spektrum ist breit und reicht von rheumatoider Arthritis über Multiple Sklerose bis hin zu zahlreichen Tumortherapeutika.

Es geht auch kleiner: Nanoantikörper

Doch ist für die Wirkung stets der gesamte Antikörperaufbau notwendig? Derzeit wird zumindest eifrig an kleineren Varianten geforscht: an sogenannten Nanobodies, Nanoantikörpern bzw. Einzeldomänenantikörpern. Wie diese funktionieren und wie weit die Forschung zu Nanoantikörpern bei COVID-19 bereits ist, stellt PTAheute in diesem Zweiteiler vor.

Antikörper sind Y-förmig 

Bild: AlexandraDaryl

Um den Aufbau von Nanobodies zu verstehen, hilft es, sich die Struktur von konventionellen IgG-Antikörpern in Erinnerung zu rufen: Diese bestehen aus zwei identischen langen (schweren) und zwei identischen kurzen (leichten) Ketten, die Y-förmig angeordnet sind. 

Dabei verfügen die leichten Ketten jeweils über eine variable und eine konstante Domäne. Die schweren Ketten hingegen bestehen aus je einer variablen Domäne und mehreren konstanten Domänen. 

Wichtig für die Antigenerkennung und -bindung sind die variablen Domänen der leichten und schweren Ketten, denn die Antigene binden an die kurzen Enden des Y. 

Werden die Antigene als fremd erkannt, werden sodann immunologische Prozesse aktiviert, welche die Antigen-präsentierende Zelle und mit ihr die „feindliche“ Struktur (z. B. ein Virus) zerstören.

Nanobodies: klein, aber fein

Nanoantikörper kann man sich als abgespeckte Form dieser großen IgG-Antikörper vorstellen. Sie sind nur noch ein Antikörperfragment, und zwar im einfachsten Fall eine einzelne, monomere variable Domäne. Das heißt, sie bestehen aus nur einer einzelnen Aminosäurekette, während die variable Domäne konventioneller Antikörper aus zwei Aminosäureketten besteht. 

Aus Dromedaren, Lamas und Haien

Bereits 1989 beginnt die Geschichte dieser Nanobodies, als Forscher in Dromedaren neben konventionellen Antikörpern eine weitere Klasse von einfacher und kleiner gebauten Antikörpern entdeckten: Sie bestehen lediglich aus schweren Ketten und werden deswegen auch als Schwerketten-Antikörper (Heavy-Chain-Only-Antibody) bezeichnet. 

Trotz dieses einfacheren Aufbaus erkannten die Forscher 1993 im Fachjournal „Nature(„Naturally occurring antibodies devoid of light chains“)  das „umfangreiche Antigenbindungsrepertoire“ dieser Schwerketten-Antikörper aus den Dromedaren. Demnach scheint der simplere und kleinere Aufbau der Antikörper ihrer Funktion keinen Abbruch zu tun. 

Wenig später, 1995, fanden sich diese Schwerketten-Antikörpern auch in Haien. Die Arbeit dazu wurde ebenfalls in „Nature(„A new antigen receptor gene family that undergoes rearrangement and extensive somatic diversification in sharks“)  veröffentlicht. Letztlich gelang es, aus diesen Schwerketten-Antikörpern die noch kleineren Nanobodies – Einzeldomänenantikörper – zu isolieren.

Mittlerweile werden Nanobodies aus Schwerketten-Antikörper aus Lamas, Alpakas, Dromedaren, Kamelen und Haien gewonnen oder im Labor aus konventionellen Antikörpern von Maus oder Mensch hergestellt.

Nanobodies sind hitze- und säurebeständig

Nanobodies unterscheiden sich nicht nur im Aufbau, sondern auch in ihren Eigenschaften von konventionellen Antikörpern: Nanoantikörper sind gut in Wasser löslich, wenig lipophil und hitzebeständig.

Während klassische Antikörper durch Hitze inaktiviert werden und daher kühl gelagert werden müssen, können Nanobodies außerhalb des Kühlschranks aufbewahrt werden. Sie bleiben auch bei 90 °C funktionsfähig und binden trotz hoher Temperaturen ihre Antigene zuverlässig. 

Daneben sind Nanobodies auch beständiger gegenüber Magensäure. Ihre Struktur lässt sich im Labor sogar dahingehend optimieren, dass sie die Magen-Darm-Passage schadlos überstehen. Somit könnten sie sich für eine orale lokale Anwendung im Gastrointestinaltrakt eignen. 

Eine orale systemische Anwendung hingegen dürfte nicht gelingen, da der menschliche Körper Peptide – zu denen Nanobodies zählen – nur schlecht resorbiert.

Nanoantikörper finden auch versteckte Antigenstrukturen, wirken aber nur kurz

Vorteilhaft scheint auch die kleine Größe der Nanobodies: Sie sind nur etwa ein Zehntel so groß wie klassische Antikörper und können dadurch in Gewebe vordringen, für welche konventionelle Antikörper zu groß sind. Zudem können sie für konventionelle Antikörper verborgene Antigenbindungsstellen erreichen, da sie auch in kleinste Lücken passen. 

Allerdings bedingt ihre kleine Größe auch, dass der menschliche Körper sie rasch über die Nieren ausscheidet, weswegen sie nur eine kurze Halbwertszeit und Wirkdauer haben. Auch die Zytotoxizität bleibt – aufgrund der fehlenden konstanten Domäne und der dadurch ausbleibenden Aktivierung des Komplementsystems – aus.

Lamas immunisieren, Antikörper gewinnen und modifizieren

Doch wie gelingt es nun, dass Lamas oder Co. die gewünschten Antikörper produzieren? In der Regel werden die Tiere dafür extra immunisiert und in Kontakt mit dem gewünschten Antigen – z. B. dem Spikeprotein von SARS-CoV-2 – gebracht. Sie bilden daraufhin Schwerketten-Antikörper, welche im Anschluss aus dem Blut der Tiere isoliert werden. 

Nun gilt es, aus der Vielzahl dieser gebildeten Antikörper genau die Antikörperfragmente auszuwählen, die das Antigen am effektivsten binden und neutralisieren können. Diese auserwählten Nanobodies entwickeln Forscher dann weiter und optimieren sie beispielsweise hinsichtlich ihrer Stabilität. 

Mit Abschluss dieses Optimierungsprozesses liegen die Nanobodies – bzw. die genetische Information (DNA) dazu – in ihrer endgültigen Form vor, sodass sie auch klinisch erprobt werden könnten. Wird die entsprechende Erbinformation nun in bestimmte Organismen (wie Hefen oder Bakterien) eingeschleust, stellen diese den Nanoantikörper in größerem Maßstab und relativ kostengünstig her.

Mehr zu Nanobodies und wie weit die Forschung hierzu bei Corona ist, lesen Sie im zweiten Teil der Nanobody-Miniserie.