100 Jahre Insulin
Es kam einem Todesurteil gleich: Wer vor über 100 Jahren an Diabetes Typ 1 erkrankte, starb meist in jungen Jahren. Es gab damals keine Behandlungsmöglichkeit.
Nachdem ein Jugendfreund von ihm an Typ-1-Diabetes gestorben war, fasste der kanadische Mediziner Frederick G. Banting (1891–1941) einen Entschluss: Er wollte eine Behandlungsmöglichkeit für diese Erkrankung suchen, die bisher hoffnungslos tödlich verlief.
Behandlung von Diabetes vor Insulin
Noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts verordnete man Diabetes-Patienten, selbst wenn sie bereits abgemagert waren, Hungerkuren und obskure Diäten. Doch früher oder später fielen sie ins diabetische Koma und starben.
Bereits seit 1889 war bekannt, dass Sekrete der Bauchspeicheldrüse den Blutzuckerspiegel senken können. Doch praktischer Nutzen ließ sich daraus noch nicht ziehen.
Erste Insulin-Anwendung beim Menschen
Banting und seinem Assistenten – dem jungen Biochemie-Studenten Charles Best (1899–1978) – gelang es im Jahr 1921, Insulin aus der Bauchspeicheldrüse von Tieren zu extrahieren.
Kurz darauf behandelten sie damit erfolgreich einen diabetischen Hund. Im Jahr 1922 wagten sie dann den Einsatz beim Menschen: Sie injizierten Insulin einem 13-jährigen todgeweihten Jungen. Dessen Blutzuckerspiegel sank sofort nach der Behandlung.
Großtechnische Produktion von Insulin
Bereits Ende 1923 begann die industrielle Herstellung von Insulin aus Schweine- und Rinderpankreas. Das amerikanische Pharmaunternehmen Lilly brachte das erste Insulin-Präparat auf den Markt. In Deutschland führte die Firma Hoechst das Präparat „Insulin Hoechst“ ein.
Ab 1936 konnte gereinigtes, kristallines Insulin eingesetzt werden, das zu weniger Unverträglichkeitsreaktionen führte. In den 1980er-Jahren gelang die gentechnische Produktion von Humaninsulin, erste Insulinpens kamen auf den Markt. Im Jahr 1996 wurde dann das erste Insulinanalogon (Humalog®) vorgestellt.
Die Entwicklung von Insulinpumpen
Die erste Insulinpumpe war sehr sperrig und wurde zunächst im Rahmen einer Studie 1963 genutzt. Handliche Pumpen gibt es seit den 1980er-Jahren, die in erster Linie Patienten verordnet wurden, die auch mit der intensivierten Insulintherapie (ICT) ihre Werte nicht stabilisieren konnten.
Heute nutzen die meisten Diabetiker die ICT und spritzen sich Insulin mit Pens. Viele tragen aber auch eine Insulinpumpe, alternativ sog. Patch-Pumpen. Die benötigte Insulinrate wird dann individuell programmiert.
2019 kamen die ersten halb automatischen Pumpen auf den Markt. Sie steuern die Insulingabe anhand der von einem Sensor gemessenen Werte. Auch die Insulinpens entwickeln sich weiter. Mittlerweile gibt es sog. Smartpens, die die gespritzten Insulinmengen automatisch mit Datum und Uhrzeit speichern. / mia
Nobelpreis für Insulin-Vorreiter
Banting erhielt übrigens bereits im Jahr 1923 den Medizin-Nobelpreis. Bis heute ist er der jüngste Träger eines Medizin-Nobelpreises. Das Preisgeld teilte Banting mit seinem Mitstreiter Charles Best.
Vor etwas über 80 Jahren – am 21. Februar 1941 – starb Banting durch einen Flugzeugabsturz. Sein Geburtstag jährt sich in diesem Jahr zum 133. Mal – und zwar am 14. November. An diesem Tag findet deshalb jährlich der Weltdiabetestag statt. E. Mutschler, C. Friedrich: Leuchttürme – Erfolgreiche Arzneimittelforscher im 20. Jahrhundert, Hirzel 2020; Deutsche Diabetes-Hilfe; Diabetes-Portal DiabSite