Aktuelles
7 min merken gemerkt Artikel drucken

Zulassungsempfehlung: Neues Arzneimittel bei Schlafkrankheit

Die Zulassung des Wirkstoffs Fexinidazol zur Behandlung der Schlafkrankheit wurde vom Humanarzneimittelausschuss der EMA empfohlen. | Bild: fotovapl / Adobe Stock

Der Humanarzneimittelausschuss (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat ein neues Arzneimittel zur Zulassung empfohlen: Fexinidazol. Fexinidazol wirkt gegen Parasiten und soll zur Behandlung der Westafrikanischen Schlafkrankheit eingesetzt werden. Die Westafrikanische Schlafkrankheit ist eine Form der Humanen Afrikanischen Trypanosomiasis (HAT). Verursacht wird sie durch den Parasiten Trypanosoma brucei gambiense. Als wichtigster Übertragungsweg der Parasiten gilt die tagaktive Tsetse-Fliege.

Was ist das Besondere an Fexinidazol?

Erteilt die Europäische Kommission Fexinidazol die Zulassung, trägt das neue Arzneimittel mehrere Vorteile in die Behandlung der Schlafkrankheit. Fexinidazol wird als Tablette mit einer Dosierung von 600 mg verfügbar sein. Es ist die erste rein orale Therapie der Schlafkrankheit. Die Einnahme von Fexinidazol erfolgt als einmal tägliche Gabe über einen Zeitraum von zehn Tagen. Bereits Kinder ab einem Alter von sechs Jahren und einem Körpergewicht von mindestens 20 Kilogramm dürfen Fexinidazol erhalten. Das Arzneimittel wurde gemeinsam von Sanofi und DNDi (Drugs für Neglected Diseases initiative) entwickelt. Hinter DNDi steht eine Not-for-Profit-Organisation im Bereich Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln.

Warum ist eine orale Therapie wichtig?

Fraglos sind orale Therapien zunächst einmal für alle Patienten einfacher und angenehmer als Infusionen oder Injektionen. Während jedoch für Patienten in der westlichen Welt die Wege zum Arzt oder in ein Krankenhaus äußerst kurz sind, müssen in afrikanischen Ländern Erkrankte häufig tagelang, unter Umständen zu Fuß, unterwegs sein, um ihre erforderlichen Infusionen zu erhalten. Aus diesem Grund sind vor allem für diese Länder orale Therapieoptionen wertvoll.

Welche Vorteile bietet Fexinidazol?

Außerdem ist Fexinidazol für beide Stadien der durch Trypanosoma brucei gambiense verursachten HAT indiziert. Das erste Erkrankungsstadium wird als hämolymphatisches Stadium bezeichnet. Im zweiten Stadium, dem meningoenzephalitischen, sind die Parasiten bereits ins Zentralnervensystem (ZNS) eingedrungen. Bislang erhalten Patienten je nach Erkrankungsstadium unterschiedliche Wirkstoffe, da nicht alle Arzneimittel ins ZNS gelangen und somit auch im zweiten Stadium wirksam sind. Das bedeutet jedoch auch, dass vor einer Arzneimittelbehandlung diagnostisch abgeklärt werden muss, in welchem Erkrankungsstadium sich der Patient befindet – das gelingt nur durch eine Punktion des Rückenmarks und Untersuchung der Rückenmarksflüssigkeit auf den Parasiten. Mit Fexinidazol kann diese Rückenmarkspunktion künftig entfallen.

Welche Nebenwirkungen verursacht Fexinidazol?

Fexinidazol wurde in drei klinischen Studien an 749 Patienten untersucht, die in verschiedenen Stadien der Erkrankung waren. Die Heilungsrate war insbesondere bei Patienten im frühen Krankheitsstadium sehr hoch. Zu den häufigsten Nebenwirkungen einer Behandlung mit Fexinidazol gehörten Erbrechen und Übelkeit, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Schwäche, Verwirrtheit und Zittern.

Bei manchen Studienpatienten kam es zu einem Wiederauftreten der Schlafkrankheit nach der Behandlung mit Fexinidazol. Aus diesem Grund empfiehlt der CHMP, die Patienten nach Therapieende für 24 Monate zu monitoren, um mögliche Rezidive zu erkennen. Auch spricht sich der CHMP dafür aus, dass medizinisches Personal die Fexinidazol-Einnahme der Patienten überwacht, um die Therapietreue zu sichern.

Was ist die Schlafkrankheit?

Die Schlafkrankheit heißt medizinisch korrekt Humane Afrikanische Trypanosomiasis (HAT). Der Name „Trypanosomiasis“ ist den verursachenden Parasiten, den Trypanosomen, entlehnt. Je nach Erreger unterscheidet man zwei Arten der Schlafkrankheit:

  • Trypanosoma brucei gambiense ist der Erreger der Westafrikanischen Schlafkrankheit. Er zeichnet für über 97 Prozent aller gemeldeten Fälle der Schlafkrankheit verantwortlich. Trypanosoma brucei gambiense kommt in 24 Ländern West- und Zentralafrikas vor, wobei die meisten Fälle in der Demokratischen Republik Kongo auftreten.
  • Trypanosoma brucei rhodesiense ist der verursachende Parasit der Ostafrikanischen Schlafkrankheit. Der Parasit dominiert in 13 Ländern Ostafrikas bis südwärts nach Botswana. Die Ostafrikanische Schlafkrankheit ist deutlich seltener als die westafrikanische Form, sie macht weniger als 3 Prozent aller gemeldeten Fälle aus.

Ein Viertel der Erkrankten sind Kinder unter 15 Jahren. Je nach Erreger verlaufen die Erkrankungen unterschiedlich.

Wie verläuft die Schlafkrankheit?

Je nach Erreger – Trypanosoma brucei gambiense oder Trypanosoma brucei rhodesiense – verläuft die parasitäre Erkrankung unterschiedlich. Die Westafrikanische Schlafkrankheit verursacht chronische Infektionen. Es können Monate oder Jahre vergehen, ohne dass der Infizierte Symptome der Erkrankung aufweist. Ist dies dann irgendwann der Fall, ist die Erkrankung meist schon fortgeschritten, und die Parasiten haben bereits das Zentralnervensystem befallen. Die Ostafrikanische Schlafkrankheit verläuft akut. Auch hier dringen die Parasiten ins Zentralnervensystem ein. Bei der Ostafrikanischen Schlafkrankheit entwickeln die Patienten jedoch rasch Symptome, innerhalb von Wochen oder Monaten.

Eine HAT verläuft in zwei Stadien. Im ersten Stadium vermehren sich die Trypanosomen im Unterhautgewebe. Die Patienten leiden in dieser sogenannten hämolymphatischen Phase an Fieber, Schüttelfrost sowie Hautausschlag mit Juckreiz. Auch können Kopf- und Gelenkschmerzen sowie Ödeme (Wassereinlagerungen) auftreten und die Lymphknoten anschwellen. Ein geringer Teil der Patienten (5 bis 20 Prozent) zeigt zudem eine Schwellung und Bläschenbildung an der Einstichstelle der Tsetse-Fliege.

Im zweiten Stadium überqueren die Parasiten die Blut-Hirn-Schranke und gelangen so ins Zentralnervensystem (ZNS). Die Infektion des ZNS geht mit Symptomen wie Verwirrtheit, Koordinationsstörungen, Verhaltensänderungen, Schlafstörungen und Krampfanfällen einher. Die zweite Phase beginnt bei Trypanosoma brucei gambiense Monate oder bei Trypanosoma brucei rhodesiense Wochen nach der Infektion. Sie wird auch als meningoenzephalitisches Stadium bezeichnet. Gegen Ende der Erkrankung fallen die Patienten in einen Dämmerzustand, dem die Schlafkrankheit auch ihren Namen verdankt. Unbehandelt führt eine HAT innerhalb von Monaten bis Jahren zum Tod.

Wie wird die Schlafkrankheit übertragen?

Die Humane Afrikanische Trypanosomiasis wird hauptsächlich durch den Biss und den Speichel einer infizierten Tsetse-Fliege übertragen. Doch es gibt auch andere Infektionswege: So können werdende Mütter die Parasiten auf ihr ungeborenes Kind übertragen, denn Trypanosomen sind plazentagängig. Dokumentiert ist laut Weltgesundheitsorganisation auch eine sexuelle Übertragung. Es ist außerdem möglich, dass blutsaugende Insekten die Trypanosomen von einem infizierten Menschen an einen anderen weitergeben. Auch traten Trypanosomen-Infektionen aufgrund von Stichverletzungen durch kontaminierte Nadeln (in Labors) auf.

Kann man sich vor der Schlafkrankheit schützen?

Anders als bei Malaria, gibt es keine medikamentöse Prophylaxe zum Schutz vor einer Infektion mit Trypanosomen. Auch eine Impfung steht nicht zur Verfügung. Somit ist die einzige Möglichkeit derzeit, das Risiko für eine Trypanosomen-Infektion und folglich der Schlafkrankheit zu verringern, sich vor Stichen der Tsetse-Fliege zu schützen. Die Empfehlungen zielen auf Moskitonetze, langärmelige Kleidung und die Anwendung von Repellenzien ab. Da die Tsetse-Fliege hauptsächlich durch dunkle Kleidung angezogen wird, sollte helle Kleidung bevorzugt werden. Diese Maßnahmen bieten jedoch auch keinen einhundertprozentigen Schutz: Die Mücke scheint aggressiv bei der Suche nach unbedeckten Körperstellen vorzugehen.

Wie hoch ist das Risiko einer Infektion mit Trypanosomen?

Nicht jede Tsetse-Fliege trägt Trypanosomen, somit führt nicht jeder Stich automatisch zu einer Infektion mit den Parasiten. Die Durchseuchung ist auch in Afrika regional sehr verschieden. Im Mittel rechnet man, dass das Infektionsrisiko bei 1:1.000 liegt, das bedeutet: Bei 1.000 Stichen durch die Tsetse-Mücke ist einer tatsächlich krankheitsauslösend. Somit korreliert die Anzahl der Stiche mit dem Risiko an der Schlafkrankheit zu erkranken.

WHO will HAT bis 2020 ausrotten

Laut der WHO gingen die gemeldeten Fälle an Humaner Afrikanischer Trypanosomiasis in den letzten Jahren stark zurück und sanken zwischen 1999 und 2015 um 90 Prozent (von 28.000 auf 2.800 Patienten). Die WHO hat sich zum Ziel gesetzt, die HAT bis zum Jahr 2020 als öffentliches Gesundheitsproblem auszurotten (< 2000 Erkrankungen). Bislang scheint die WHO hier auf Kurs zu sein. Allerdings darf man sich wohl nicht zu früh in Sicherheit wiegen, denn die Schlafkrankheit sei dafür bekannt, auf Epidemie‐Niveau zurückzukehren, sobald die Anstrengungen zur Überwachung nachließen, erklärt die Initiative Drugs for Neglected Diseases (DNDi).