Identitätsprüfung mittels Refraktometer: Bestimmung des Brechungsindex: So geht's
Aufgrund der einfachen und schnellen Durchführung eignet sich die Messung des Brechungsindex zur Identifizierung zahlreicher Flüssigkeiten. Im Europäischen Arzneibuch ist dieses Analyseverfahren unter den allgemeinen Methoden als Vorschrift 2.2.6 zu finden.
Lichtbrechung messen mit dem Refraktometer
Das zur Bestimmung des Brechungsindex verwendete Messgerät wird als Refraktometer bezeichnet. Sein physikalisches Funktionsprinzip beruht darauf, dass verschiedene Flüssigkeiten das Licht unterschiedlich stark brechen.
Beobachten kann man das zum Beispiel in einem Glas Wasser: Wird beispielsweise ein Löffel in ein Wasserglas gestellt, so weist der eigentlich gerade Gegenstand einen Knick auf. Das Licht wird durch das Wasser gebrochen. Wird der gleiche Löffel in eine andere Flüssigkeit gestellt, so sieht der Knick etwas anders aus, da das Licht dort anders gebrochen wird.
Ein Refraktometer kann diese unterschiedliche Brechkraft von Flüssigkeiten messen.
Gut zu wissen: Lichtbrechung erzeugt Regenbogen
Das Phänomen der Lichtbrechung lässt sich auch in der Natur beobachten. Ein bekanntes Beispiel ist die Entstehung eines Regenbogens: Das Licht tritt dabei in einen Wassertropfen ein und wieder aus. Dabei werden die Farben des sichtbaren Lichts unterschiedlich stark abgelenkt und das Licht wird in seine verschiedenen Farbkomponenten aufgeteilt.
Was ist der Brechungsindex?
Beim Brechungsindex (auch Brechzahl genannt) handelt es sich um eine optische Materialeigenschaft: Abhängig vom jeweiligen Medium breitet sich Licht mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten aus.
Tritt ein Lichtstrahl aus der Luft in eine durchsichtige Substanz ein, so verlangsamt sich seine Ausbreitung. Das Verhältnis aus der Lichtgeschwindigkeit in der Luft (vLuft) und der Lichtgeschwindigkeit in der Substanz (vSubstanz) wird dabei als Brechungsindex (n) bezeichnet. Es gilt die Formel:
n = vLuft / vSubstanz
Tritt ein Lichtstrahl aus einem optisch dünneren Medium (wie der Luft) in ein optisch dichteres Medium (z. B. Wasser) über, so ändert sich auch die Ausbreitungsrichtung und der Lichtstrahl wird abgelenkt (gebrochen).
Wellenlänge und Temperatur für Brechungsindex entscheidend
Der Brechungsindex ist von der Wellenlänge des verwendeten Lichtstrahls abhängig. Zur Messung des Brechungsindex nach Arzneibuch wird als Lichtquelle daher die D-Linie des Natriums mit der Wellenlänge 589,3 nm verwendet. Dies wird durch den tiefgestellten Zusatz „D“ deutlich gemacht.
Zudem ist der Brechungsindex auch von der Temperatur abhängig. Die Messung wird deshalb normalerweise bei 20 °C durchgeführt. Diese Temperatur wird im Brechungsindex-Symbol durch eine hochgestellte „20“ kenntlich gemacht.
Gut zu wissen: Brechungsindex ohne Einheit
Beim Brechungsindex handelt es sich um eine dimensionslose physikalische Größe, also um eine Zahl ohne Einheit. Der Wert wird auf drei Dezimalstellen genau angegeben.
Zum Beispiel hat gereinigtes Wasser nach dem Europäischen Arzneibuch einen Brechungsindex von 1,332–1,334. Alle anderen Flüssigkeiten haben leicht höhere Werte. Beim Raffinierten Erdnussöl Ph. Eur. liegt der Brechungsindex beispielsweise zwischen 1,468–1,473, beim Zimtöl Ph. Eur. zwischen 1,572–1,591.
Bestimmung mit dem Refraktometer
Zur Messung des Brechungsindex wird – wie bereits erwähnt – ein Refraktometer verwendet. Die zu vermessende Substanz wird dabei als dünner Film zwischen zwei Glasprismen (ein Beleuchtungs- und ein Messprisma) aufgetragen.
Dazu wird zunächst das Beleuchtungsprisma aufgeklappt und ein bis zwei Tropfen der Flüssigkeit auf das Messprisma gegeben. Danach kann das Beleuchtungsprisma wieder heruntergeklappt und festgehalten werden.
Durch das obere Prisma gelangt nun ein Lichtstrahl, der in einem Okular beobachtet werden kann. Beim Blick durch das Okular wird das Bild zunächst scharf gestellt. Nun ist eine Hell-Dunkel-Grenze zu sehen. An dieser Grenze gelangt das Licht durch die Substanz in das untere Prisma.
Mit einem Einstellrad wird nun der Messbereich so lange abgefahren, bis die Hell-Dunkel-Grenze deckungsgleich zum Fadenkreuz im Okular ist. Anschließend kann auf der unteren Skala der Brechungsindex direkt abgelesen werden.
Nach der Messung wird die Flüssigkeit mit einem fusselfreien, saugfähigen Tuch entfernt und das Prisma mit einem mit Alkohol angefeuchteten Tuch sorgfältig gereinigt. Übrigens: Das Refraktometer sollte ausschließlich mit trockenen Händen angefasst werden.
Welche Flüssigkeiten können identifiziert werden?
Zahlreiche Flüssigkeiten, die zur Herstellung von Arzneimitteln verwendet werden, können durch die Messung des Brechungsindex eindeutig identifiziert werden. Dazu zählen z. B. ätherische Öle, fette Öle, Glycerol, Sorbitol-Lösung 70 % oder 2-Propanol.
Auch bei einigen Trägerlösungen wie der Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC (NRF S.52.) oder der Viskosen Grundlösung DAC (NRF S.20.) kann die Identität durch diese Methode festgestellt werden.
Das DAC enthält in der Anlage N eine Übersicht über die Brechungsindizes der in den Monographien des Ph. Eur., DAB oder DAC beschriebenen Ausgangsstoffe. Zusätzlich sind auch die Substanzen genannt, die im Rahmen der alternativen Identifizierung des DAC/NRF auf ihre Identität geprüft werden.
Gut zu wissen: Brechungsindex von Defekturarzneimitteln
Defekturen werden in der Apotheke im Voraus hergestellt, die Größe der Charge ist dabei auf hundert abgabefertige Packungen pro Tag begrenzt. Vor dem Inverkehrbringen muss die Qualität dieser Defekturarzneimittel geprüft und dazu eine Prüfanweisung sowie ein Prüfprotokoll erstellt werden.
Für zahlreiche Defekturarzneimittel eignet sich als analytische Messmethode die Bestimmung des Brechungsindex. So sollte dieser beispielsweise bei der 2-Propanol-haltigen Aluminiumhexahydrat-Lösung 15 % (NRF 11.1) zwischen 1,392 und 1,396 liegen.
Im DAC ist in der Anlage N eine Tabelle zu finden, die die Brechungsindizes für einige Defekturarzneimittel aus dem NRF enthält.
Beim Brechungsindex ist Temperaturkontrolle wichtig
Der Brechungsindex von Flüssigkeiten wird, wie oben erwähnt, im Normalfall bei einer Temperatur von 20 °C ± 0,5 °C bestimmt und angegeben. Bei steigender Temperatur sinkt der Brechungsindex und es werden abweichende Werte erhalten. Deshalb enthalten einige Refraktometer eine Vorrichtung, die das Messen bei einer bestimmten Temperatur erlaubt. Die Temperatur muss dafür mit einer Genauigkeit von mindestens 0,5 °C angegeben werden.
Ist eine Einstellung der Messtemperatur auf 20 °C nicht möglich, kann das bei abweichender Temperatur gemessene Ergebnis auch mithilfe eines Korrekturfaktors zurückgerechnet werden (siehe Formel). Die zur Berechnung nötigen Korrekturfaktoren für die jeweilige Substanz sind im DAC in der Anlage O in einer Tabelle zusammengestellt. Quellen
https://www.wepa.shop/content/files/WEPA/themen/eingangskontrolle/Kleines_ABC_der_Eingangskontrolle_DINA5_2019.pdf
https://www.kruess.com/campus/refraktometrie/wie-funktioniert-ein-refraktometer/
Rücker, Neugebauer, Willems: Instrumentelle pharmazeutische Analytik, 5. Überarbeitete Auflage 2013, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart.
DAC/NRF Anlage N und O