mehr wissen: FSME: Selten, aber gefährlich
von Karen Steinmeyer
Einige Zeckenarten – allen voran der Gemeine Holzbock – sind unter anderem Überträger der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Diese Virusinfektion kann manchmal zu einer Entzündung des Gehirns, der Hirnhäute und des Rückenmarks führen. Der Erreger ist das FSME-Virus, ein Flavivirus, dessen drei Subtypen nach ihrem Vorkommen in europäisch, asiatisch und sibirisch unterschieden werden. Wird die Erkrankung durch den europäischen Subtyp verursacht, spricht man von FSME. Werden alle Subtypen zusammengefasst, bezeichnet man eine entsprechende Erkrankung mit dem englischen Ausdruck tick-borne encephalitis (TBE, englisch: durch Zecken hervorgerufene Enzephalitis).
Nicht von Mensch zu Mensch
FSME-Risikogebiete in Deutschland
In bestimmten Regionen Deutschlands werden mehr FSME-Erkrankungen gemeldet als in anderen. Daher werden vom Robert Koch-Institut (RKI) jährlich aktuelle Karten mit FSME-Risikogebieten in Deutschland veröffentlicht, wobei deren Zahl kontinuierlich wächst. Man sollte aber beachten, dass auch in FSME-Risikogebieten lediglich 0,1 bis 5 % der vorkommenden Zecken das FSME-Virus tragen.Klicken Sie auf ptaheute.de auf die Lupe und geben Sie dann den Webcode ein, um die aktuelle Karte des RKI herunterzuladen.
Webcode:
S6BD9
Erkrankung in zwei Phasen
Die Viren vermehren sich nach der Übertragung zunächst in verschiedenen Zellen des Immunsystems. Über die Lymphknoten gelangen sie danach in die Blutbahn und auf diesem Wege in verschiedene Gewebe und Organe, zum Beispiel in Milz und Leber. Das Virus kann auch die Blut-Hirn-Schranke überwinden und so in Gehirn und Rückenmark eindringen. Eine FSME-Infektion verläuft bei etwa 70 bis 95 % der Infizierten asymptomatisch oder äußert sich in einer unspezifischen Primärphase mit leichten grippeähnlichen Beschwerden wir leichtem Fieber um 38 °C, Kopf- und Gliederschmerzen. Sie klingen nach ein paar Tagen wieder ab.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ist eine von Zecken übertragene Virusinfektion, die zu schweren Erkrankungen des zentralen Nervensystems führen kann.
- Eine Infektion kann häufig symptomfrei verlaufen, aber auch starke Beschwerden hervorrufen, die mitunter lang andauern oder auch teilweise irreversibel sind. Charakteristisch ist ein zweiphasiger, durch Fieber und Kopfschmerzen gekennzeichneter Verlauf. In schweren Fällen treten zahlreiche neurologische Symptome auf.
- Eine Erkrankung kann nur symptomatisch behandelt werden.
- Vorbeugend stellt eine Impfung den besten Schutz dar. Sie besteht aus einer dreiteiligen Grundimmunisierung und regelmäßigen Auffrischimpfungen.
Erhöhtes Risiko
Das Risiko, an einer FSME-Infektion zu erkranken, ist für Männer doppelt so hoch wie für Frauen. Während man bei Kindern meistens nur einen milden Krankheitserlauf beobachtet, steigt ab einem Alter von 40 Jahren, bei immunsupprimierten Personen und wahrscheinlich auch bei bestimmter genetischer Disposition, die Gefahr für schwere Verläufe. Besonders bei älteren Menschen muss man mit Komplikationen rechnen.
Aufschlussreiche Antikörper
Der erste Schritt der Diagnose ist die Frage nach einem Zeckenstich, dem Verzehr von möglicherweise infizierter Rohmilch und ob sich der Patient in einem FSME-Risikogebiet aufgehalten hat. Bisher gibt es noch keinen Schnelltest auf FSME-Viren und ein PCR-Nachweis der Virus-RNA aus Blut oder Liquor ist nur in der ersten symptomatischen Phase möglich. Auch schließt ein negatives Ergebnis eine FSME-Infektion nicht zwingend aus. Als Diagnosemethode der Wahl erfolgt daher der gestaffelte Nachweis von FSME-spezifischen IgM- und IgG-Antikörpern. In zwei Serum- oder Liquorproben im Abstand von zwei Wochen lassen die Antikörper Rückschlüsse darüber zu, ob es sich um einen früheren Viruskontakt beziehungsweise eine vorangegangene Impfung oder eine akute Infektion handelt.
Unerlässliche Differenzialdiagnose
Es gibt viele andere Erkrankungen, die ähnliche neurologische Symptome wie eine FSME zeigen und daher ausgeschlossen werden müssen. Sie können sowohl bakteriell, zum Beispiel durch Meningokokken, als auch viral, zum Beispiel durch Masern- oder Epstein-Barr-Viren, hervorgerufen werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Herpes-simplex-Enzephalitis (HSE). Für den Ausschluss einer HSE kann eine Kernspintomografie herangezogen werden. Solange eine HSE nicht ausgeschlossen werden kann, sollte laut der S1-Leitlinie „Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie vom Januar 2020 bis zur sicheren Diagnosestellung prophylaktisch eine antivirale Therapie gegen HSE mit Aciclovir erfolgen. Aufgrund deutlicher Kreuzreaktivität mit anderen Flaviviren, zum Beispiel dem Gelbfieber-, Dengue-, Japanische-Enzephalitis- oder West-Nil-Virus, müssen die entsprechenden Erkrankungen differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Das RKI verweist daher an das Konsiliarlabor für FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München, um das FSME-Virus eindeutig nachzuweisen. Seit 2001 besteht laut Infektionsschutzgesetz für den Nachweis eines FSME-Virus im Zusammenhang mit einer akuten Infektion eine Meldepflicht an das Gesundheitsamt.
Symptomatische Therapie
Bei Verdacht auf eine FSME soll laut Leitlinie immer eine Krankenhauseinweisung erfolgen, weil es schnell zu einer drastischen Verschlechterung mit Atemdepression kommen kann. Da es für die FSME keine spezifischen antiviralen Arzneimittel und somit keine Kausaltherapie gibt, kann nur symptomatisch behandelt werden. Bei Kopfschmerzen kann Paracetamol oder Metamizol gegeben werden. Bei stärkeren Schmerzen ist der Einsatz von Diclofenac oder Ibuprofen beziehungsweise im Extremfall auch von Opiaten möglich. Eine gezielte Gabe von Antipyretika oder immunmodulierenden Medikamenten wie zum Beispiel Glucocorticoiden sollte wegen der Gefahr einer Beeinträchtigung der Immunabwehr nicht erfolgen. Unter Umständen können sowohl prophylaktisch wie auch therapeutisch Antikonvulsiva notwendig sein. Daneben können auch parenterale Ernährung oder Flüssigkeitsersatz erforderlich sein. Kommt es durch die Infektion zu neurologischen Schäden, werden die Betroffenen von Physiotherapeuten, Logopäden und/oder Ergotherapeuten therapiert.
Mögliche Folge- und Spätschäden
Wie erkläre ich es meinen Kunden?
- „Auch wenn Ihre Zeckenschutzimpfung vor ein paar Jahren nicht vollständig durchgeführt wurde, können Sie sich jetzt noch eine Auffrischimpfung geben lassen. Eine neue dreiteilige Grundimmunisierung ist nicht notwendig.“
- „Es stimmt, dass es verschiedene FSME-Virustypen gibt. Wegen Ihrer Reise brauchen Sie sich aber keine Sorgen zu machen. Ihre Impfung deckt alle drei Virustypen ab.“
- „Auch wenn sich bei Ihrem Mann der Verdacht auf eine FSME-Infektion bestätigen sollte, brauchen Sie wegen einer Ansteckung keine Angst zu haben: Eine Übertragung von Mensch zu Mensch findet nicht statt.“
Impfschutz
Den wirksamsten Schutz vor einer Erkrankung stellt die FSME-Impfung dar. Sie wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) allen potenziell gefährdeten Menschen nach Vollendung des ersten Lebensjahres empfohlen. Dazu zählen alle Personen, die sich in ihrer Freizeit oder berufsbedingt in FSME-Risikogebieten aufhalten (siehe blauer Kasten auf Seite 102). Bei den in Deutschland zugelassenen Impfstoffen handelt es sich um inaktivierte Adsorbat-Impfstoffe. Sie sind gegen die drei Virussubtypen wirksam und in der Regel gut verträglich. Die Grundimmunisierung erfolgt durch drei Impfstoffdosen im Zeitraum von neun bis zwölf Monaten, danach sollten in bestimmten Abständen Auffrischimpfungen erfolgen (siehe Tabelle auf Seite 102). Für Erwachsene stehen die Impfstoffe FSME-Immun und Encepur zur Verfügung, für Kinder FSME-Immun Junior und Encepur Kinder. FSME-Immun und Encepur sind laut RKI als gleichwertig anzusehen, im Bedarfsfall ist ein Impfstoffaustausch nach Rücksprache mit dem verschreibenden Arzt möglich. Eine einmal begonnene, aber unvollständige Grundimmunisierung kann laut STIKO trotz anders lautender Fachinformation jederzeit vervollständigt werden – nach dem Grundsatz „Jede Impfung zählt“. Auch nach einer durchgemachten Infektion empfiehlt das RKI alle drei bis fünf Jahre eine Auffrischimpfung. Eine passive, das heißt postexpositionelle Impfung gegen FSME ist seit 2003 in Deutschland nicht mehr möglich – wohl auch, weil ein eindeutiger Nutzen nicht nachweisbar war. •
Schemata für FSME-Impfungen | |||||
Encepur ab 12 Jahren | Encepur Kinder ab 1 bis 11 Jahre | FSME-Immun Erwachsene ab 16 Jahren | FSME-Immun 0,25 ml Junior ab 1 bis 15 Jahre | ||
Grundimmunisierung (normales Impfschema) | 1. Impfung | beliebiger Zeitpunkt | beliebiger Zeitpunkt | ||
2. Impfung | 14 Tage bis 3 Monate nach 1. Impfung | 1 – 3 Monate nach 1. Impfung | |||
3. Impfung | 9 – 12 Monate nach 2. Impfung | 5 – 12 Monate nach 2. Impfung | |||
1. Auffrischimpfung | 3 Jahre nach 3. Impfung | 3 Jahre nach 3. Impfung | |||
Schnellimmunisierung | 1. Impfung | beliebiger Zeitpunkt | beliebiger Zeitpunkt | ||
2. Impfung | 7 Tage nach 1. Impfung | 14 Tage nach 1. Impfung | |||
3. Impfung | 21 Tage nach 1. Impfung | 5 – 12 Monate nach 2. Impfung | |||
1. Auffrischimpfung | 12 – 18 Monate nach 3. Impfung | 3 Jahre nach 3. Impfung | |||
Auffrischimpfungen | … im Alter von … | < 50 Jahren: alle 5 Jahre ≥ 50 Jahren: alle 3 Jahre | < 60 Jahren: alle 5 Jahre ≥ 60 Jahren: alle 3 Jahre |