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mehr wissen: G-BA: Im Schattendes BMG

Maßgeblich für die Umsetzung der deutschen Gesundheitspolitik auf Bundesebene ist das Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Zum Geschäftsbereich des BMGs gehören auch die Zulassungsbehörden für Arzneimittel, insbesondere das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Wer als pharmazeutischer Unternehmer den Nachweis erbringt, dass sein Arzneimittel nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft die Kriterien Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erfüllt, darf das Produkt in Deutschland in den Verkehr bringen. 

Da neue Arzneimittel in der Regel sehr teuer sind, wird das Kosten-Nutzen-Verhältnis überprüft. Erst wenn das positiv ausfällt, übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für die Behandlung mit diesen Präparaten. Bei der Entscheidung, ob das Kosten-Nutzen-Verhältnis eines neuen Arzneimittels den Anforderungen entspricht, kommt der 2004 geschaffene Gemeinsame Bundesausschuss ins Spiel.

Rechtsgrundlage

Im Gemeinsamen Bundesausschuss wird also seit fast 20 Jahren über das Inverkehrbringen von Arzneimitteln und ihre Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen entschieden. Wer die gesetzlichen Hintergründe für die Existenz des G-BA sucht, wird nicht im Arzneimittelgesetz, sondern im Sozialgesetzbuch V (SGB V) fündig. Die Überschrift zu § 53a dieses sehr umfangreichen Gesetzes lautet: „Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen, Verordnungsermächtigung“. Weiter steht dort: „Der Gemeinsame Bundesausschuss bewertet den Nutzen von erstattungsfähigen Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen. 

Hierzu gehört insbesondere die Bewertung des Zusatznutzens gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie, des Ausmaßes des Zusatznutzens und seiner therapeutischen Bedeutung.“ Ausgewertet werden die Daten aus klinischen Prüfungen. § 35b SGB V ergänzt: „Der Gemeinsame Bundesausschuss beauftragt aufgrund eines Antrags (…) das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit einer Kosten-Nutzen-Bewertung.“ Die innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums zu fällenden Entscheidungen des G-BAs werden dem Bundesministerium für Gesundheit zur Prüfung vorgelegt. Danach wird die Entscheidung im Bundes-anzeiger, einem werktäglich erscheinenden amtlichen Publikationsorgan, veröffentlicht.

GKV – wer gehört dazu?

Die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind laut Sozialgesetzbuch V:

  • Allgemeine Ortskrankenkassen
  • Betriebskrankenkassen
  • Innungskrankenkassen
  • Landwirtschaftliche Krankenkassen
  • Ersatzkassen (zum Beispiel Barmer, DAK, Techniker)
  • Bundesknappschaft

Zusammensetzung des G-BAs

Der G-BA ist das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen. Er bestimmt in Form von Richtlinien, welche medizinischen und pharmazeutischen Leistungen die rund 73 Millionen Versicherten beanspruchen können. § 91 SGB V enthält die Information, welche Institutionen den G-BA bilden: „Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden einen gemeinsamen Bundesausschuss. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist rechtsfähig. Er wird durch den Vorsitzenden des Beschlussgremiums gerichtlich und außergerichtlich vertreten.“ Vertreten sind Ärzte und Zahnärzte, gesetzliche Krankenkassen (GKV, siehe Kasten Seite 78), Krankenhäuser und Patientenorganisationen.

Ist der Zusatznutzen gegeben?

Für die Pharmaunternehmen bedeuten die G-BA-Beschlüsse, dass nur mit der Feststellung eines beträchtlichen Zusatznutzens gegenüber der bisherigen Standardtherapie eine Chance auf die Refinanzierung der hohen Forschungsausgaben besteht. Mit Arzneimitteln, deren Zusatznutzen als gering oder aufgrund fehlender Daten als nicht quantifizierbar bewertet wird, lassen sich nur noch Preise auf Generika-Niveau erzielen. Lautet das Urteil „kein Zusatznutzen“, liegt der GKV-Erstattungsbetrag zehn Prozent unter dem Generika-Niveau.

Derzeit wird eines von acht neuen Arzneimitteln aufgrund enttäuschender Nutzenbewertung vom Markt genommen. Beispiele sind das Grippemittel Xofluza mit Baloxavir marboxil und das beim Lungenkarzinom eingesetzte Medikament Rybrevant mit Amivantamab. Es gibt aber auch positive Bescheide. Opdivo enthält Nivolumab und wird in
Kombination mit fluopyrimidin- und platinbasierter Chemotherapie beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus eingesetzt. Diesem neuen Arzneimittel wurde vom G-BA ein beträchtlicher Zusatznutzen gegenüber der bisherigen Standardtherapie zugebilligt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Fragen zur Erstattung von Arzneimitteln zulasten der gesetz-lichen Krankenkassen sind nicht im Arzneimittelgesetz, sondern im Sozialgesetzbuch V (SGB V) geregelt.
  • Auch nach Erteilung einer amtlichen Zulassung aufgrund des Nachweises von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit kann das Inverkehrbringen eines neuen Arzneimittels scheitern, wenn kein beträchtlicher Zusatznutzen gegenüber der bisherigen Standardtherapie belegt werden kann.
  • Die pharmazeutisch relevanten G-BA-Bekanntmachungen werden im Bundesanzeiger veröffentlicht.

Blick in den Bundesanzeiger

Der Bundesanzeiger, in dem wie eingangs erwähnt auch die Entscheidungen des G-BA bezüglich des Kosten-Nutzen-Verhältnisses neuer Präparate veröffentlicht werden, dient der Veröffentlichung amtlicher Verlautbarungen auf Bundesebene. Aktuelle Beispiele für pharmazeutisch relevante Bekanntmachungen des Gemeinsamen Bundesausschusses im Bundesanzeiger sind:

  • Umsetzung der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO),
  • Beschlüsse über Änderungen der Anlage II der Arzneimittel-Richtlinie: Lifestyle-Arzneimittel,
  • Beschlüsse über Änderungen der Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie: Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse,
  • Beschlüsse über Änderungen der Anlage V der Arzneimittel-Richtlinie: Medizinprodukte-Liste,
  • Beschlüsse über Änderungen der Anlage VI der Arzneimittel-Richtlinie: Off-Label-Gebrauch von Arzneimitteln,
  • Beschlüsse über die Änderung der Anlage VIIa der Arzneimittel-Richtlinie: Biologika und Biosimilars,
  • Beschlüsse über Änderungen der Anlage IX der Arzneimittel-Richtlinie: Festbetragsgruppenbildung,
  • Beschlüsse über Änderungen der Anlage XII der Arzneimittel-Richtlinie: Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a SGB V,
  • Richtlinie zu Anforderungen an die Qualität der Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien (ATMP-QS-RL).

Diese Beispiele zeigen, dass es bei den vielfältigen G-BA-Beschlüssen und -Bekanntmachungen nicht nur um die Nutzenbewertung neuer Arzneimittel und die Frage ihrer GKV-Erstattung geht. Auch Fragen der Erstattungsfähigkeit bei Lifestyle-Arzneimitteln oder beim Off-Label-Einsatz von Arzneimitteln – also außerhalb des zugelassenen Anwendungsgebietes mangels verfügbarer therapeutischer Alternativen – werden hier besprochen. 

Dr. Michael Schmidt

Fachapothekerfür Öffentliches Gesundheitswesen und Fachjournalist

Rottenburg

autor@ptaheute.de