gut beraten: Risiken von Abnehmpräparaten: Auf Kosten der Gesundheit
von Ulrike Freese
Einfach eine Tablette einnehmen, um überschüssige Kilos loszuwerden, wünschte sich die Kundin und fragte in regelmäßigen Abständen nach Diätprodukten. Trotz einer intensiven Ernährungsberatung in der Apotheke und der Empfehlung, sich mehr zu bewegen oder Sport zu treiben, blieben die Diäten erfolglos.
Einige Monate vergehen, bis die Kundin sichtlich schlanker wieder in die Apotheke kommt und von einem „wunderbaren Mittel zum Abnehmen“ schwärmte. Gleichzeitig verlangte sie nach Schlaftabletten und berichtete von innerer Unruhe und einem plötzlich aufgetretenen hohen Blutdruck. Das Personal in der Apotheke wunderte sich über diese Aussagen und fragte genauer nach. Nach einer kurzen Recherche bestätigte sich der Verdacht: Die Abnehmpillen bestellte die Kundin im Internet. Sie sind laut Deklaration rein pflanzlich und beinhalten natürliche Wirkstoffe, doch genauere Untersuchungen zeigen das Gegenteil.
Dubiose Zusammensetzung
Immer wieder finden sich unzulässige Inhaltsstoffe bei im Internet erworbenen „Schlankheitspillen“, so etwa Sibutramin. Dieser Wirkstoff war als verschreibungspflichtiges Antiadipositum im Handel (Reductil), wegen schwerwiegender Nebenwirkungen ruht die Zulassung allerdings seit 2010. Sibutramin ist ein Amphetaminderivat und hemmt die Aufnahme von Serotonin und Noradrenalin, was zu einem verringerten Appetit führt. Trotz bestimmungsgemäßer Einnahme kam es unter Sibutramin zu zahlreichen Nebenwirkungen wie Schlaflosigkeit und Unruhe. Auch schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Hypertonie und Herzinfarkt traten auf.
Obwohl der Wirkstoff nicht mehr in den Handel gebracht werden darf, wird er immer wieder in Nahrungsergänzungsmitteln zum Abnehmen nachgewiesen. Häufig wird er nicht deklariert, da viele Präparate mit „natürlichen“ Inhaltsstoffen werben. Es gibt jedoch auch Fälle, bei denen die Hersteller es darauf ankommen lassen und Sibutramin als Bestandteil angeben. In manchen Präparaten sind die enthaltenen Mengen sogar weitaus höher als im nicht mehr verfügbaren Reductil (es enthielt 10 oder 15 mg), wodurch das Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen noch höher ist.
Ein weiterer problematischer Inhaltsstoff, der bei Kontrollen von Abnehmpillen häufig gefunden wird, ist Phenolphthalein. In der Apotheke kennt man ihn als pH-Indikator für Säure-Base-Titrationen, doch als Arzneimittel ist der Stoff längst obsolet. Früher wurde er als Abführmittel eingesetzt, aber wegen der krebserregenden Wirkung ist kein Präparat mehr im Handel. Neben Phenolphthalein finden sich in dubiosen Abnehmpräparaten auch häufiger noch andere Abführmittel.
Das Wichtigste in Kürze
- Immer wieder werden bei Untersuchungen von Abnehmpräparaten undeklarierte und teilweise verbotene Inhaltsstoffe gefunden, die zu massiven Gesundheitsschäden führen.
- Der Wirkstoff Amfepramon durfte wegen des Abhängigkeitsrisikos und anderer Nebenwirkungen nur drei Monate eingenommen werden. Inzwischen wurde die Zulassung für den Appetitzügler widerrufen.
- Die Verordnung des GLP-1-Agonisten Semaglutid zum Abnehmen ist ein Off-Label-Use, durch den die Versorgung von Menschen mit Typ-2-Diabetes gefährdet wird.
Abhängig vom Abnehmpräparat
Nur widerwillig sieht die Kundin ein, dass ihr Abnehmpräparat mit großer Wahrscheinlichkeit zu den Unruhezuständen und dem erhöhten Blutdruck beiträgt. Enttäuscht und wütend bemerkt sie, dass es das einzige Mittel gewesen sei, mit dem sie abgenommen habe, und dass sie jetzt nicht damit aufhören möchte.
Diese Aussage lässt die PTA aufhorchen, denn manche Präparate zum Abnehmen führen tatsächlich zur Abhängigkeit. So wurde im Jahr 2022 der verschreibungspflichtige Wirkstoff Amfepramon (in Regenon, Tenuate) aus dem Handel genommen. Der Wirkstoff ist ein α-Sympathomimetikum, das zu einer erhöhten Ausschüttung von Dopamin und Noradrenalin führt. Das bewirkt eine Hemmung des Appetits.
Das Arzneimittel wies zudem stimulierende Eigenschaften auf, was das Abhängigkeitspotenzial erklärt. Ab einer bestimmten Menge unterliegt Amfepramon deswegen dem Betäubungsmittelgesetz, auch wenn in dieser Stärke kein Präparat im Handel war. Um eine Abhängigkeit zu verhindern, durfte der Wirkstoff für maximal drei Monate eingenommen werden. In der Realität gab es jedoch Fälle, bei denen das Abnehmpräparat off-label weitaus länger, teilweise über Jahre verordnet wurde, sodass ein ambulanter oder stationärer Entzug zum Absetzen nötig war.
Darüber hinaus führte der Wirkstoff in seltenen Fällen zu schwerwiegenden Nebenwirkungen, wie pulmonaler Hypertonie, kardiovaskulären Erkrankungen oder psychischen Beschwerden, sodass es zahlreiche Kontraindikationen gab, die jedoch oft missachtet wurden.
Neuester TikTok-Trend
„Vielleicht kann der Arzt mir ja weiterhelfen“, überlegt die Kundin laut, „da gibt es doch diese Spritze, die die Promis in Amerika verwenden, die möchte ich auch.“ Unter anderem von Elon Musk wurde der Wirkstoff Semaglutid (z. B. in Ozempic) massiv auf Tiktok und anderen sozialen Medien „beworben“. Er gehört zur Gruppe der GLP-1-Rezeptoragonisten, die bei Typ-2-Diabetes eingesetzt werden.
Semaglutid muss einmal wöchentlich subcutan gespritzt werden. Die GLP-1-Agonisten, zu denen auch Dulaglutid (z. B. in Trulicity) und Liraglutid (z. B. in Victoza, Saxenda) gehören, verringern den Appetit, bewirken eine verzögerte Magenentleerung und führen dazu, dass das Sättigungsgefühl länger erhalten bleibt. Sie verbessern die Insulinwirkung und erhöhen glucoseabhängig die Insulinsekretion. Unterzuckerungen treten kaum auf, da sie bei niedrigen Blutzuckerwerten nicht wirken.
Infolgedessen führen sie zur Gewichtsabnahme, wobei für Semaglutid in Studien die höchste Effektivität nachgewiesen wurde. Dennoch ist der Wirkstoff nicht für die Indikation Gewichtsabnahme zugelassen, eine Verordnung für die Kundin wäre ein Off-Label-Use. Aufgrund der positiven Berichterstattung in den sozialen Medien kommen diese jedoch immer wieder vor. Die große Nachfrage führt sogar zu Lieferengpässen bei den GLP-1-Agonisten, sodass Typ-2-Diabetiker nicht versorgt werden können.
Bereits zugelassen für die Indikation Adipositas ist das Präparat Saxenda mit dem Wirkstoff Liraglutid. Dieses darf ab einem BMI von 30 bzw. 27, wenn Komorbiditäten wie ein Typ-2-Diabetes, eine Hypertonie, erhöhte Blutfettwerte oder eine Schlafapnoe vorliegen, verordnet werden. Im Gegensatz zu Semaglutid und Dulaglutid muss Liraglutid täglich gespritzt werden. Die Therapie wird begleitend zu einem Diät- und Sportprogramm eingesetzt.
Für den Wirkstoff Semaglutid wird voraussichtlich im Jahr 2023 ebenfalls ein Präparat zur Gewichtsabnahme bei Adipositas in den Handel gebracht (Wegovy), dieses ist in Amerika schon erhältlich. Experten betonen jedoch, dass es sich nicht um ein Lifestyle-Arzneimittel handelt, so wie es in den sozialen Medien beworben wird. Die Nebenwirkungen sind zwar nach derzeitigem Stand überschaubar, vor allem zu Behandlungsbeginn kommt es zu Übelkeit und Erbrechen, nur selten treten schwerwiegende Nebenwirkungen wie eine Pankreatitis, Gallensteine oder Nierenprobleme auf. Dennoch sollte es nicht ohne Indikation verordnet werden.
Wie erkläre ich es meinem Kunden?
- „Leider gibt es immer wieder Abnehmpräparate, die nicht mehr erlaubte Wirkstoffe zur Gewichtsreduktion enthalten. Mit diesen Mitteln nehmen Sie zwar schnell ab, aber auf Kosten Ihrer Gesundheit. Durch die Einnahme können zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Schlafstörungen auftreten.“
- „Die von den Promis empfohlene Abnehmspritze ist verschreibungspflichtig. In Deutschland ist sie bislang nur für die Behandlung von Typ-2-Diabetikern zugelassen.“
Unseriöse Präparate sind keine Lösung
Auch wenn sich das viele wünschen: Eine schnelle und einfache Abnehm-Methode, bei der man nur eine Tablette oder eine Spritze braucht, um Gewicht zu verlieren, gibt es nicht.
Kunden, die im Internet die neuesten Abnehmpräparate bestellen, laufen Gefahr, an unseriöse Anbieter zu geraten. Um zu erfahren, welche Präparate verbotene oder undeklarierte Inhaltsstoffe enthalten, kann man im Internetportal „Gute Pillen – Schlechte Pillen“ nachschauen (gutepillen-schlechtepillen.de). In der Rubrik „Gepanschtes“ findet man eine alphabetische Zusammenstellung aller untersuchten Präparate und die nachgewiesenen Inhaltsstoffe.
In der Beratung sollte darauf hingewiesen werden, dass eine Gewichtsreduktion mit unseriösen Abnehmpräparaten schwerwiegende Folgen für die Gesundheit haben kann. Auch wenn viele Kunden darunter leiden und eine Adipositas (BMI über 30) mittlerweile als behandlungsbedürftige chronische Krankheit anerkannt ist, sind die medikamentösen Behandlungsmethoden überschaubar. Die wichtigsten Maßnahmen, um das Gewicht zu reduzieren und auf Dauer zu halten, sind multimodale Behandlungen, bestehend aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie. •