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mehr wissen: Klimabewusste Inhalativa: Umstellen und Emissionen sparen?

Das Gesundheitswesen in Deutschland verursacht circa 5 % der CO2-Emissionen. In England hat sich das Gesundheitswesen NHS (National Health Service) zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu werden. Ein Anlass für die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), sich ebenfalls mit klimabewusstem Verordnungsverhalten auseinanderzusetzen, denn im hausärztlichen Bereich ist die Verordnung von Medikamenten für die meisten CO2-Emissionen verantwortlich.

Klimaschädliche Treibgase in Inhalativa

Eine Leitlinie aus dem Jahr 2022 beschäftigt sich mit der klimabewussten Verordnung von Inhalativa, denn Dosieraerosole sind wegen der enthaltenen Treibgase besonders klimaschädlich. Als Treibgase werden Norfluran und Apafluran verwendet, beide begünstigen den Treibhauseffekt. Dabei ist Norfluran 1.430-mal so klimaschädlich wie CO2, Apafluran sogar 3.220-mal so schädlich. Pulverinhalatoren kommen dagegen ohne Treibgas aus. Berechnungen zufolge spart der Umstieg von einem Dosieraerosol auf einen Pulverinhalator in einem Jahr so viel CO2 wie bei zwei Kurzstreckenflügen von je 1.000 km anfällt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Auch im Gesundheitswesen ist es das Ziel, klimaneutral zu handeln. Dosieraerosole zur Inhalation enthalten klimaschädliche Treibgase und sollten möglichst gegen Pulverinhalatoren ausgetauscht werden.
  • Für Kinder unter fünf Jahren und geriatrische Patienten gibt es keine Alternative zu Dosieraerosolen. Auch im Akutfall oder bei Nutzung eines Spacers muss ein Dosieraerosol verwendet werden.
  • Für fast alle Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen stehen sowohl Dosieraerosole als auch Pulverinhalatoren zur Verfügung, sodass meist gut umgestellt werden kann. Für viele Patienten sind auch die Respimat-Systeme eine Alternative, sie kommen ohne Treibgas aus.
  • Ist ein Dosieraerosol nötig, sollte es möglichst Norfluran als Treibgas enthalten und nicht das besonders klimaschädliche Apafluran.

Impuls zur Umstellung durch die Apotheke

Hier ergibt sich im Apothekenalltag eine Möglichkeit, konkret auf den Klimaschutz hinzuwirken: Bei den Inhalativa werden zu 48 % Dosieraerosole verordnet. In der Apotheke kann man also durchaus auf den CO2-Abdruck der Dosieraerosole hinweisen, denn Patienten ist möglicherweise gar nicht bewusst, welchen Unterschied eine Umstellung ausmacht. Viele Patienten könnten auf einen Pulverinhalator umgestellt werden, ohne dass ihre Erkrankung sich verschlechtert. Inzwischen kann die Schulung von Asthmapatienten bei einem neuen Inhalator im Rahmen der neuen pharmazeutischen Dienstleistungen sogar bei der Krankenkasse abgerechnet werden.

Unterschiede zwischen Dosieraerosol und Pulverinhalator

Zur Erinnerung: Bei einem Dosieraerosol wird durch manuelles Auslösen ein Sprühstoß freigesetzt, dies muss mit dem Einatmen koordiniert werden. Durch das Treibmittel wird der Wirkstoff bis in die tiefen Abschnitte der Atemwege transportiert. Bei einem Pulverinhalator dagegen muss der Atemzug eine bestimmte Kraft und Dauer aufweisen, um das Pulver freizusetzen und einzuatmen. Das bedeutet: Die Lungenfunktion muss ausreichen, damit der Patient zwei bis drei Sekunden kräftig Luft holen kann. Pulverinhalatoren sind daher grundsätzlich nicht für Kinder unter fünf Jahren und für geriatrische Patienten geeignet. Außerdem können sie nicht in einem akuten Asthmaanfall oder einem anderen Fall von Atemnot angewendet werden, denn dann kann der erforderliche Atemstrom nicht aufgebracht werden. Ein Spacer als Inhalierhilfe kann nur mit einem Dosieraerosol kombiniert werden.

Pulverinhalator – für wen geeignet?

Für gut eingestellte erwachsene Patienten ist ein Wechsel von Dosieraerosol auf Pulverinhalator grundsätzlich möglich, bei den meisten Kindern ab fünf Jahren auch. Viele Pulverinhalatoren sind sogar einfacher in der Anwendung, denn die Koordination zwischen Auslösen und Einatmen fällt weg. Dadurch kann sich sogar die Adhärenz verbessern. Muss bei einem Patienten ein Dosieraerosol verwendet werden, sollte auf das enthaltene Treibgas geachtet werden. Die Frage ist: Kann das besonders klimaschädliche Apafluran vermieden werden? In Deutschland enthalten derzeit die Dosieraerosole Aarane, Allergospasmin, Flutiform und Symbicort 160/4 Apafluran als Treibmittel.

Der Austausch des Symbicort Dosieraerosols wäre recht einfach, es ist mit der gleichen Wirkstoffkombination auch als Pulverinhalator (Turbohaler) verfügbar. Hier wäre nur die Lungenfunktion oder eine Ablehnung des Patienten limitierend. Flutiform, Aarane und Allergospasmin könnten nur gegen andere Wirkstoffkombinationen ausgetauscht werden, sollte auf einen Pulverinhalator oder ein apafluranfreies Dosieraerosol umgestellt werden. Beides ist aus medizinischer Sicht möglich: Die Wirkstoffkombination Fluticason/Formoterol in Flutiform könnte gegen eine Kombination von Formoterol mit einem anderen Glucocorticoid getauscht werden, ohne dass der Therapieerfolg leidet. Aarane und Allergospasmin enthalten die Kombination Cromoglicinsäure/Reproterol. Sie werden von der Nationalen Versorgungsleitlinie Asthma ohnehin als wenig sinnvoll eingestuft, hier könnte also gleich das Therapiekonzept überarbeitet werden.

Wie Dosieraerosol, aber ohne Treibgas

Die am häufigsten verordneten Wirkstoffe sind sowohl als Dosieraerosol als auch als Pulverinhalator verfügbar. Eine Sonderrolle nehmen Respimat-Systeme (mit Olodaterol oder Tiotropium bzw. in Kombination) ein: Diese Sprühvernebler sind treibgasfrei, erzeugen aber einen ähnlichen Sprühstoß wie ein Dosieraerosol. Sie sind allerdings recht teuer und benötigen für die Anwendung Kraft in den Händen.

Hinterfragen: häufige Salbutamol-Verordnungen

Ein Großteil der Verordnungen von Dosieraerosolen entfällt auf Salbutamol, ungefähr 46 %. Salbutamol ist ein kurz wirksamer Bronchodilatator und wird besonders in der Akutmedikation eingesetzt. Hier fällt auf, was schon in Untersuchungen bestätigt wurde: Salbutamol wird von vielen Patienten viel zu häufig als Bedarfsmedikation angewendet, während auf ein inhalatives Corticoid lieber verzichtet wird. Dieses wäre aber nötig, um die Entzündung der Bronchien zu verbessern, dadurch die Anfallshäufigkeit zu verringern und das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern. Die übermäßige Anwendung von Salbutamol ist ein Warnzeichen für drohende schwere Asthmaanfälle. Eigentlich sollten nicht mehr als drei Inhalatoren pro Jahr benötigt werden.

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „Wussten Sie, dass Ihr Asthmaspray klimaschädliches Treibgas enthält? Falls Sie einen anderen Inhalator verwenden möchten, könnten Sie Ihren CO2-Fußabdruck verbessern.“
  • „Tatsächlich verursachen diese Sprays sehr viele schädliche Emissionen. Wenn man auf einen treibgasfreien Inhalator umsteigt, spart das in einem Jahr so viel, wie zwei Kurzstreckenflüge verursachen.“
  • „Die Pulverinhalatoren sind oft noch einfacher in der Anwendung und nach einem Wechsel sind Sie genauso gut eingestellt. Ich erkäre Ihnen gerne alles ganz genau.“

Umweltbewusst entsorgen

Ein weiterer Umweltaspekt betrifft die Entsorgung entleerter Dosieraerosole. Diese gehören nicht in den Restmüll, sondern sie gelten als Sondermüll. Daher sind sie beim Recyclinghof oder einer anderen Schadstoffsammelstelle abzugeben.

Rebekka Pavone

Apothekerin

Ehningen

autor@ptaheute.de