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gut beraten: Immunsystem stärken: Eiskalt erwischt

Ohne das Immunsystem geht gar nichts. Dieses ausgeklügelte System aus spezialisierten Zellen, Botenstoffen und Antikörpern sorgt dafür, dass der Körper Krankheitserregern nicht hilflos ausgeliefert ist. Immer wieder liest man, wie wichtig es ist, das Immunsystem zu stärken und insbesondere alljährlich wiederkehrenden Erkältungserkrankungen möglichst vorzubeugen. In der Apotheke fragen Kunden des Öfteren nach entsprechenden Arznei- und Nahrungsergänzungsmitteln. Mindestens genauso wichtig sind jedoch nicht medikamentöse Maßnahmen.

Gesunde Ernährung, frische Luft und ausreichend Schlaf

Besonders wichtig für ein gut funktionierendes Immunsystem ist ausreichend Schlaf. Schlafmangel führt dazu, dass das Immunsystem geschwächt wird. Dies wird unter anderem darauf zurückgeführt, dass die Aktivität bestimmter Immunzellen reduziert wird, nämlich der sogenannten T-Lymphozyten, die eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Krankheitserregern spielen.

Stress in Verbindung mit negativen Emotionen sollte vermieden werden, da es ebenfalls das Immunsystem schwächt. Positiver Stress – zum Beispiel durch Sport oder andere Hobbys – wirkt sich dagegen förderlich aus. Überhaupt ist Bewegung wichtig, sie hilft unter anderem dabei, Krankheitserreger über die Lymphe abzutransportieren und unschädlich zu machen. Außerdem deuten Studienergebnisse darauf hin, dass auch durch Sport die Anzahl der T-Lymphozyten erhöht wird. Besonders empfehlenswert sind Ausdauersportarten wie Joggen, Radfahren, Walking oder Schwimmen.

Ebenso wichtig für das Immunsystem ist eine gesunde, ausgewogene Ernährung. Schließlich benötigt es Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, um zu funktionieren. Alkohol und Rauchen dagegen schaden dem Immunsystem und sollten gemieden werden.

Frieren fürs Immunsystem?

Neben diesen grundlegenden Maßnahmen stehen verschiedenste Optionen zur Verfügung, um das Immunsystem zusätzlich zu stärken. Die meisten von ihnen basieren letztendlich auf Kältereizen. Es ist mittlerweile erwiesen, dass kurze Kältereize – einige Sekunden bis eine Minute – den Körper dazu veranlassen, verstärkt Botenstoffe und Zellen des Immunsystems zu bilden. 

Dazu kommen positive Auswirkungen auf die Blutgefäße: Bei Kälte ziehen sie sich zusammen, erweitern sich aber anschließend wieder, sodass das Gewebe vermehrt durchblutet wird. Das stärkt den Kreislauf und sorgt für eine verbesserte Versorgung des Gewebes mit Zellen des Abwehrsystems. Jeder kennt das aus dem Winter: Kommt man aus kalter Luft in beheizte Räume, beginnt die Nase zu laufen, weil die Schleimhäute plötzlich stärker durchblutet werden.

Kneipp und Co.

Ein bekannter Verfechter von Kälteanwendungen war der Pfarrer Sebastian Kneipp. Er lebte im 19. Jahrhundert und erkrankte bereits als junger Mann an Tuberkulose. Es gelang ihm jedoch, diese zu kurieren, was er selbst zu einem großen Teil auf seine regelmäßigen Bäder in der eiskalten Donau zurückführte. Im Laufe seines Lebens entwickelte Kneipp über 100 naturheilkundliche Methoden, die bis heute angewendet werden. Viele davon basieren auf Kryotherapie, also Kälteanwendungen mit Wasser. Becken für Kneipp-Wassertreten finden sich beispielsweise häufig in den Parks von Kurorten. 

Zum Wassertreten braucht man allerdings nicht unbedingt ein Becken, es ist auch im Bach oder zu Hause in der Badewanne möglich. Voraussetzungen: Das Wasser sollte höchstens 18 °C warm sein und nicht höher als bis zu den Waden reichen. Alternativen sind Tautreten im nassen Gras oder Schneetreten im Winter. Beim Tautreten geht man nach dem Aufstehen für ein paar Minuten barfuß durch den kühlen Tau auf dem Gras. Für das Schneetreten im Winter – ebenfalls barfuß – genügen wenige Sekunden (maximal eine halbe Minute). Anschließend ist es wichtig, die Füße schnell abzutrocknen und aufzuwärmen.

Auf vergleichbaren Effekten beruhen Wechselduschen oder kalte Güsse für verschiedene Körperbereiche, mit oder ohne starken Wasserdruck. Besonders Hartgesottene probieren es mit Eisbaden in nur wenige Grad kaltem Wasser. Dafür sollte man den Körper allerdings vorher abhärten, also beispielsweise im Spätsommer die Badesaison gar nicht erst beenden, sondern bis zum Winter weiterbaden. Auf diese Weise gewöhnt sich der Körper an die Temperaturveränderungen und die Blutgefäße passen sich schneller an.

Die hohen Temperaturen in der Sauna lassen die Körpertemperatur kurzzeitig auf Werte um 39 °C ansteigen, was das Immunsystem stimuliert. | Foto: AzmanJaka – iStockphoto.com

Richtig schön schwitzen: Sauna

Schon die Römer vor 2.000 Jahren kannten Therapieverfahren mit kaltem oder auch warmem Wasser. Noch viel älter ist die Anwendung von Schwitzbädern, die Funden zufolge schon vor vielen tausend Jahren in Asien durchgeführt wurden. Die Sauna, wie man sie heute kennt, stammt wahrscheinlich aus Finnland. Saunieren wird neben vielen anderen Effekten auch zur Stärkung des Immunsystems durchgeführt. 

Die hohe Temperatur (meistens etwa 80 bis 105 °C) lässt die Körpertemperatur kurzzeitig auf Werte um 39 °C ansteigen, also vergleichbar mit Fieber. Wie beim echten Fieber führt das dazu, dass der Körper vermehrt bestimmte Proteine, sogenannte Hitzeschockproteine, bildet, welche wiederum die Aktivität der bereits erwähnten T-Lymphozyten verstärken.

Wirksamkeit erwiesen?

Es wurden bereits viele Untersuchungen dazu durchgeführt, ob sich Methoden wie Saunieren, Eisbaden, Wechselduschen und Co. wirklich positiv auswirken. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind nicht eindeutig, zumal die Studien häufig klein sind beziehungsweise methodisch nicht allen Anforderungen entsprechen. 

Ein Cochrane-Report aus dem Jahr 2019 äußert sich daher eher zurückhaltend. Es gibt aber durchaus Hinweise darauf, dass Kältereize, Saunagänge etc. tatsächlich das Erkrankungsrisiko verringern beziehungsweise den Krankheitsverlauf bei Infektionen positiv beeinflussen können. Dazu kommt, dass sie oftmals weitere gesundheitsfördernde Effekte mit sich bringen, zum Beispiel für Herz und Kreislauf. Viele Menschen empfinden Saunieren und Wassertreten zudem einfach als angenehm – dieser Wellness-Effekt darf zur Gesundheitsvorsorge nicht vernachlässigt werden.

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „Ja, vom Eisbaden habe ich schon mal gehört. Das ist zwar extrem, aber viele Menschen schwören darauf. Im Herbst ist auch eine gute Zeit, um damit anzufangen, das Wasser in den Seen ist noch nicht ganz so kalt, da kann sich Ihr Körper langsam an die Temperaturen gewöhnen. Ich rate Ihnen aber, das vorher mit Ihrem Arzt abzuklären, wenn Sie dann wirklich auch im Winter im richtig kalten Wasser baden wollen.“
  • „Wassertreten können Sie auch zu Hause in der Badewanne. Füllen Sie kaltes Wasser ein, es darf nicht wärmer als 18 °C sein. Wir haben auch Badewannenthermometer hier in der Apotheke, falls Sie eines brauchen. Wichtig ist, dass das Wasser nicht höher reicht als bis zu den Waden, aber das wird es in der Wanne ja sowieso nicht. Nach ein paar Minuten Wassertreten trocknen Sie die Beine dann gut ab.“

Nicht übertreiben

Negative Effekte sind kaum zu befürchten. Dafür ist es allerdings wichtig, nicht zu übertreiben. Mit radikalen Abhärtungsversuchen wird eher das Gegenteil erreicht. Gerade die etwas extremeren Varianten wie das Eisbaden sollten langsam begonnen werden. Saunabesuche müssen, um gefährliche Überhitzungen zu vermeiden, korrekt durchgeführt werden; entsprechende Anleitungen hängen in den meisten öffentlichen Saunen aus. Das richtige Abkühlen ist dabei genauso wichtig wie die eigentliche Schwitzphase. Wer an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leidet, sollte Kälteanwendungen und Saunabesuche nur nach Rücksprache mit dem Arzt durchführen. Bei Fieber sind Saunagänge tabu. Patienten mit Nierenerkrankungen fragen vor bestimmten Kältereizanwendungen, zum Beispiel Tautreten, lieber vorsichtshalber ihren behandelnden Arzt.

Und auch wenn Sport dem Körper und dem Immunsystem guttut, sollte man es besonders bei eisigen Temperaturen mit dem Training an der frischen Luft nicht übertreiben. Manchmal ist es draußen selbst für Extremsportler zu kalt. Für viele Wintersportarten sind Temperaturen festgelegt, unterhalb derer keine Wettkämpfe mehr durchgeführt werden dürfen (z. B. –20 °C). Für ältere, vorerkrankte oder wenig trainierte Menschen sollte die Grenze eher bereits bei etwa 0 °C gezogen werden. Wind und Luftfeuchtigkeit können das Temperaturempfinden beeinflussen und sollten daher ebenfalls berücksichtigt werden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Um Infektionen möglichst zu vermeiden, sollte durch einen gesunden Lebensstil das Immunsystem gestärkt werden.
  • Zahlreiche Maßnahmen wie Eisbaden, Wechselduschen oder Saunieren sollten das Immunsystem unterstützen.
  • Inwieweit mit diesen Methoden in der Praxis tatsächlich das Erkrankungsrisiko gesenkt werden kann, ist nicht eindeutig erwiesen, es gibt aber Hinweise auf gesundheitsfördernde Effekte.
  • Wichtig ist, nicht zu übertreiben und die Aktivität langsam zu steigern.

Dr. Katrin Elshoff

Apothekerin,

Journalistin (DJK)

Stade

autor@ptaheute.de