Immunantwort nach einer Impfung gegen COVID-19
Die Impfung beginnt mit einem Stich der Injektionsnadel in den Muskel. Dabei kommt es zu einer lokalen Verletzung von Gewebe und die freigesetzten Bestandteile aus den zerstörten Zellen weisen die umliegenden Zellen unmittelbar auf die Gefahrensituation hin. Zur Beseitigung der Zellreste werden Makrophagen (spezielle Leukozyten) aus dem Gewebe und andere Immunzellen angelockt. Diese gehören zum angeborenen Immunsystem des Menschen. Zur Regeneration des Gewebes wird dieses verstärkt durchblutet und ist auch infolge der lokalen Entzündungsreaktion gerötet, fühlt sich leicht warm an und schmerzt.
Zunächst wird das Spike-Protein gebildet
Nach der Verabreichung des Impfstoffs gelangen die Lipid-Nanopartikel der mRNA-Impfstoffe bzw. die Adenoviren der Vektor-Impfstoffe zum großen Teil in die Muskelzellen. Dort wird dann das eigentliche Antigen, nämlich das Spike-Protein des Coronavirus, gebildet. Ein Teil des Impfstoffs gelangt aber auch in sogenannte dendritische Zellen, die eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der erworbenen Immunität spielen. Diese Immunzellen befinden sich direkt vor Ort und werden zusätzlich durch die lokale Entzündungsreaktion angelockt. Wie in den Muskelzellen auch wird in den dendritischen Zellen zunächst das Spike-Protein hergestellt. Bruchstücke davon werden dann auf der Zelloberfläche dieser Immunzellen präsentiert.
Erworbenes Immunsystem wird aktiviert
Die dendritischen Zellen wandern dann in den nächsten Lymphknoten und aktivieren dort CD8+-T-Zellen. Diese stellen einen wichtigen Teil des erworbenen Immunsystems dar. Die auch T-Killerzellen genannten Immunzellen können während einer akuten Infektion mit SARS-CoV-2 befallene Körperzellen zerstören und sorgen dafür, dass sich das Virus nicht weiter ausbreiten kann. Die dendritischen Zellen können das von den Muskelzellen gebildete Spike-Protein über Phagozytose auch direkt von außen aufnehmen und es an ihrer Zelloberfläche anderen Immunzellen präsentieren. Über diese Antigen-Präsentation wird die Bildung von CD4+-T-Zellen angeregt. Diese T-Zellen sind unerlässlich für eine effiziente Produktion von Antikörpern mit Hilfe von B-Lymphozyten. Die spezifischen Antikörper können im Falle einer Infektion an das Spike-Protein des Virus binden. Der Erreger kann dann keine fremden Zellen mehr befallen und der Körper ist vor einer Infektion geschützt. Sowohl von den genannten T-Zellen als auch von den B-Lymphozyten werden im Übrigen Gedächtniszellen angelegt, im Falle einer akuten Infektion sind diese dann schnell wieder einsatzbereit.
Reaktionen auf die Impfung individuell unterschiedlich
Auf die oben genannten immunologischen Vorgänge kann unser Körper mit verschiedenen Impfreaktionen reagieren. Die meisten Menschen fühlen sich nach der Impfung müde und abgeschlagen. Manchmal kommt es auch zu Fieber, Schüttelfrost sowie Kopf- und Gliederschmerzen. Die genannten Symptome fallen aber individuell völlig unterschiedlich aus und lassen keine Rückschlüsse auf die Stärke des späteren Immunschutzes zu. Denn auch wenn man keine oder nur sehr milde Impfreaktionen zeigt, kann man ausreichend Antikörper und T-Zellen ausbilden.
Ab wann liegt ein Impfschutz vor?
Um eine Immunität gegen eine virale Erkrankung aufzubauen, wird eine gewisse Zeit benötigt. Klinische Studien zu den eingesetzten Impfstoffen haben gezeigt, dass 7 Tage nach der ersten Impfung nur wenige spezifische Antikörper gegen das Spike-Protein nachweisbar sind, auch die T-Zell-Antwort ist zu diesem Zeitpunkt noch schwach ausgeprägt. Aber schon eine Woche später, also 14 Tage nach der Impfung, ist der Immunschutz über spezifische Antikörper und T-Zellen deutlich nachweisbar. Zwei Wochen nach der Erstimpfung ist eine vorläufige Schutzwirkung gegen eine Infektion mit dem Coronavirus vorhanden. Um diese längerfristig zu erhalten, ist aber noch die Zweitimpfung nötig. Denn ohne diese Auffrischung würde die Menge an Antikörpern relativ schnell wieder abnehmen.
Einige Arzneistoffe können die Immunreaktion stören
Patienten, die wegen einer entzündlichen Erkrankung eine Therapie mit Methotrexat durchführen, reagieren häufig mit einer deutlich schwächeren Immunantwort auf die Impfung. Auch bei einer Behandlung mit Glucocorticoiden in höheren Dosierungen muss mit einem nicht ausreichenden Ansprechen auf die Impfung gerechnet werden. Die genaue Vorgehensweise sollte daher mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Dies gilt auch für die Einnahme von Biologika wie Interleukin-Inhibitoren oder speziellen Antikörpern gegen chronisch-entzündliche Hauterkrankungen. Aber auch nicht verschreibungspflichtige Wirkstoffe, wie die nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) Ibuprofen und Diclofenac, können den Impferfolg negativ beeinflussen. Die schmerzlindernden und entzündungshemmenden Substanzen bewirken im Körper bekanntermaßen eine Hemmung der Prostaglandinbildung. Dadurch wird unter anderem die Einwanderung von Leukozyten in den Muskel, die Präsentation des Spike-Proteins durch Immunzellen und die Bildung von T-Zellen vermindert.
Analgetika nicht prophylaktisch einnehmen
Vor allem in den ersten Stunden nach der Impfung spielt die Entzündungsreaktion des Körpers auf die Injektion des Impfstoffs eine wichtige Rolle. Werden also entsprechende Arzneistoffe zur Vorbeugung von Nebenwirkungen schon vor der Impfung eingenommen, kann die erwünschte Impfreaktion tatsächlich abgeschwächt sein. Dies gilt auch für die Einnahme von Paracetamol.
Auch wenn die Datenlage dazu noch relativ dünn ist, sollten Analgetika nach Möglichkeit frühestens sechs Stunden nach der Impfung eingenommen werden. Denn am Anfang der Immunantwort hat die Einnahme einen deutlichen Einfluss auf das Immungeschehen. Ist diese jedoch schon in vollem Gange, konnte bisher kein nachteiliger Effekt mehr festgestellt werden. Auch auf eine vorbeugende Einnahme von Antihistaminika zur Verhinderung möglicher allergischer Reaktionen auf die Impfung sollte verzichtet werden.