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Leseprobe 20/2021: : Erektile Dysfunktion: Nicht mehr so standhaft?

Bild: cglade / iStockphoto.com

Von einer erektilen Dysfunktion (ED) spricht man, wenn kein Geschlechtsverkehr möglich ist, weil die Erektion nicht ausreicht oder komplett ausbleibt. Die sexuelle Lust ist dabei trotzdem vorhanden. Tritt diese „Panne im Bett“ nur ab und zu mal auf, hat das keinen Krankheitswert. Erst wenn die Störung seit mindestens sechs Monaten besteht, in 75 Prozent der Versuche auftritt und der Mann oder das Paar darunter leidet, steckt eine ED dahinter.

Komplexes Zusammenspiel

Bei einer Erektion kommt es zu einer verstärkten Blutzufuhr in den Schwellkörper des Penis, wobei gleichzeitig der Abfluss des Blutes gehemmt wird, sodass sich der Penis aufrichtet. Dabei findet ein komplexes Zusammenspiel zwischen den Blutgefäßen, Hormonen wie Testosteron, den Nervenzellen und der Psyche statt.

Dysfunktion, Impotenz, Sterilität – was ist der Unterschied? 

Umgangssprachlich wird eine erektile Dysfunktion häufig auch als Impotenz bezeichnet. Dieser Begriff ist jedoch ungenau, denn er umfasst sowohl die Unfähigkeit zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs als auch die Unfähigkeit, Kinder zu zeugen. Man spricht auch von Sterilität oder Zeugungsunfähigkeit. Das bedeutet jedoch nicht, dass Männer nicht zu einer Erektion fähig sind, und Männer mit Erektionsstörungen sind nicht zwangsläufig steril.

Was steckt dahinter?

Eine der Hauptursachen für eine erektile Dysfunktion ist das Alter. Befragungen ergaben, dass etwa ein bis zwei Prozent der 40-Jährigen betroffen sind. Bei den 65-Jährigen leiden bereits 15 bis 20 Prozent unter Erektionsstörungen.

Bei jüngeren Männern ist die Ursache für eine erektile Dysfunktion häufig psychisch bedingt. So können Stress, Versagensängste oder Hemmungen die Erektion beeinträchtigen. In manchen Fällen ist auch eine Depression die Ursache.

Bei älteren Männern ab 50 Jahren überwiegen dagegen die körperlichen Ursachen. Durch den normalen Alterungsprozess verschlechtern sich Sauerstoffversorgung und ­Maximaldurchblutung des Penis, außerdem ­erschlafft die Beckenbodenmuskulatur. Gleichzeitig steigt das Risiko für Erkrankungen, die zu erektiler Dysfunktion führen können. Am häufigsten sind Diabetes mellitus oder Arteriosklerose der Grund für die Erektionsprobleme. Bei beiden Erkrankungen verschlechtert sich die Durchblutung.

Weitere Ursachen können Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hormonstörungen, Operationen, Verletzungen des unteren Beckenbereiches oder Erkrankungen des Nervensystems wie multiple Sklerose, Morbus Parkinson oder ein Bandscheibenvorfall sein.

Auch Arzneimittel können eine erektile Dysfunktion hervorrufen oder sie verstärken. Diese Nebenwirkung tritt zum Beispiel bei Betablockern, Diuretika und Lipidsenkern, aber auch bei einigen Antidepressiva auf.

Zum Check-up gehen

Noch immer schämen sich viele betroffene Männer zu sehr, um mit einem Arzt über ihre Erektionsprobleme zu sprechen. Dabei ist eine erektile Dysfunktion keineswegs eine Bagatelle. Ganz im Gegenteil: Sie kann als Vorbote einiger behandlungsbedürftiger Erkrankungen auftreten. So ist sie zum Beispiel bei einem Typ-2-Diabetes häufig das einzige offensichtliche Anzeichen. Wird dieser nicht behandelt, entstehen bleibende Schäden.

Zur Diagnostik der ED verwendet der Arzt einen Fragebogen – den Internationalen Index der erektilen Funktion –, bei dem die Beschwerden mit einem Punktesystem ermittelt werden. Abgefragt werden die Häufigkeit, Dauer und Stärke der Erektion sowie die Li­bido und die Qua­lität des Geschlechtsverkehrs. Weiterhin untersucht der Arzt die Hoden und die Prostata, misst den Blutdruck und überprüft die Becken- und Beindurchblutung. Bei einer Blutuntersuchung werden unter anderem die Testosteron- und die Schilddrüsenwerte sowie die Glucose- und Cholesterolkonzentration bestimmt.

Die blaue Pille

Als Mittel erster Wahl bei der erektilen Dysfunktion werden Phosphodiesterase-5-Hemmer eingesetzt. Diese führen bei etwa 80 Prozent der Patienten zu einer Besserung der Beschwerden, unabhängig von der Ursache. Die blaue Pille Sildenafil (z. B. in Viagra) war der erste Vertreter dieser Gruppe, kurze Zeit später folgten Tadalafil (z. B. in Cialis) und Vardenafil (z. B. in Levitra). Eher selten verordnet wird Avanafil (z. B. in Spedra). Die Wirkung ist identisch, die Arzneistoffe unterscheiden sich aber in ihrem Wirkeintritt und der Wirkdauer. Durch die Hemmung des Enzyms Phosphodiesterase-5 verbessert sich die Blutversorgung im Schwellkörper des Penis, dadurch ist die Erektion stärker ausgeprägt und hält länger an. Die Voraussetzung für die Wirkung ist die sexuelle Erregung des Mannes. Fehlt diese, bleibt die Erektion aus. Alle Präparate müssen mindestens 30 Minuten vor dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden. Den schnellsten Wirkeintritt nach circa zehn Minuten hat Vardenafil (z. B. in Levitra), die längste Wirkdauer mit 24 bis 36 Stunden hat Tadalafil (z. B. in Cialis).

Nebenwirkung?

Die Behandlung der erektilen Dysfunktion ist eigentlich nur eine Nebenwirkung der PDE-5-Hemmer. Ursprünglich sollten sie wegen ihrer gefäßerweiternden Wirkung zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt werden. Sildenafil und Tadalafil werden auch heute noch bei einer pulmonalen Hypertonie eingesetzt und können also auch von Frauen eingenommen werden. Tadalafil ist in einer niedrigeren Dosierung für das benigne Prostatasyndrom bei Männern zugelassen.

Obwohl die PDE-5-Hemmer im Allgemeinen gut verträglich sind, gibt es einige Nebenwirkungen, die sich teilweise mit der gefäßerweiternden Wirkung erklären lassen. Am häufigsten sind Kopfschmerzen, Flush (Gesichtsrötung), eine verstopfte Nase, Magen-Darm-Beschwerden und Rückenschmerzen. Kontraindiziert sind die Präparate bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko. Das besteht zum Beispiel, wenn der Blutdruck dauerhaft zu hoch (über 170/110 mmHg) ist oder die Patienten vor Kurzem einen Herzinfarkt hatten. Auch wenn die Patienten wegen einer koronaren Herzerkrankung gleichzeitig Nitrate einnehmen (z. B. ISDN oder Molsidomin), sind PDE-5-Hemmer kontraindiziert. Bei gleichzeitiger Einnahme von Alphablockern wie Doxazosin besteht ein erhöhtes Risiko für eine schwere Hypotonie. Die gleichzeitige Einnahme sollte daher nur bei stabilem Blutdruck erfolgen.

Mit Pumpe und Gummiring – ganz ohne Arzneimittel

Nicht bei allen Patienten führen Phosphodiesterase-5-Hemmer zu einer erfolgreichen Behandlung der erektilen Dysfunktion. Vor allem wenn psychische Ursachen der Hauptgrund für die Beschwerden sind, profitieren die Betroffenen von einer psychotherapeutischen Behandlung, die für Paare oder als Gruppentherapie mit anderen Männern angeboten wird.

Eine völlig andere Möglichkeit, die seit der Einführung der PDE-5-Hemmer jedoch weniger häufig eingesetzt wird, ist eine speziell konstruierte Pumpe, mit der eine Erektion herbeigeführt werden kann. Sie wird über den Penis gestülpt und durch den erzeugten Unterdruck gelangt Blut in den Schwellkörper. Um die Erektion aufrechtzuerhalten, trägt der Mann einen Gummiring über der Peniswurzel, der nach dem Geschlechtsverkehr wieder entfernt wird.

Lokale Alternativen

Nur noch einen geringen Stellenwert in der Therapie der erektilen Dysfunktion hat die SKAT-Therapie (Schwellkörperautoinjektion). Dabei wird der gefäßerweiternde Wirkstoff Alprostadil subcutan in den Schwellkörper gespritzt. Die erste Anwendung erfolgt durch den Urologen, danach kann sich der Patient selbst spritzen. Die Injektion erfolgt kurz vor dem Geschlechtsverkehr mit einer sehr dünnen Nadel und ist für die Patienten schmerzfrei. Die Erektion hält etwa eine Stunde an. Alternativ kann der Wirkstoff mithilfe eines Applikators in die Harnröhre eingeführt werden. Diese Therapieart wird MUSE (Medikamentöses Transurethales System zur Erektion) genannt. Der Vorteil dieser Therapieformen ist, dass sie auch angewendet werden können, wenn die Nervenbahnen zwischen Gehirn und Penis geschädigt sind, zum Beispiel bei einer Querschnittslähmung.

Wie erkläre ich es meinem Kunden?

  • „Ja es stimmt, diese Werbung hört sich vielversprechend an. Dennoch sollten Sie mit einem Arzt über die Erektionsprobleme sprechen.“
  • „Häufig enthalten Potenzpillen aus dem Internet nicht nur harmlose Pflanzenextrakte, sondern zusätzlich undeklarierte Inhaltsstoffe, die zu schweren Nebenwirkungen führen können.“

Wirkung fraglich

Gerade bei schambesetzten Themen wie Erektionsstörungen ist der Gedanke verführerisch, sich ein Mittel im Internet zu bestellen, und die Versprechungen zu Wirksamkeit und Verträglichkeit sind hoch. Doch auch wenn sich das Angebot noch so seriös anhört, sollte man kritisch bleiben. Die Mehrzahl dieser Präparate sind keine Arzneimittel, sondern als Nahrungsergänzungsmittel zugelassen. Im Gegensatz zu den Arzneimitteln sind in diesem Bereich keine Wirksamkeitsnachweise für das Inverkehrbringen erforderlich. Zwar gibt es in der Volksheilkunde einige pflanzliche Präparate, denen eine Wirkung bei Potenzstörungen nachgesagt wird, doch Studien oder andere 
objektive Belege zur Wirkung fehlen. Im schlimmsten Fall sind die Präparate nicht nur nutzlos, sondern mit toxischen Stoffen verunreinigt oder wirken, weil PDE-5-Hemmer ohne Kennzeichnung beigemischt wurden. In den Leitlinien zur Behandlung der erektilen Dysfunktion wird nur dem aus der Yohimberinde gewonnenen Yohimbin eine leichte Wirkung nachgesagt. Es gibt verschiedene homöopathische Präparate mit diesem Wirkstoff sowie ein verschreibungspflichtiges (Yocon-Glenwood), die Wirkung ist weniger gut als bei PDE-5-Hemmern.        

Richtig vorbeugen

Wie bei zahlreichen anderen Erkrankungen gilt auch bei der erektilen Dysfunktion, dass man(n) mit einem gesunden Lebensstil vorbeugen kann. Wer sich gesund ernährt, nicht raucht, wenig Alkohol trinkt und Übergewicht vermeidet, beugt Krankheiten, die die Durchblutung verschlechtern, wie zum Beispiel Arteriosklerose und Typ-2-Diabetes, vor. Außerdem wird dazu geraten, regelmäßig Sport zu treiben. Männer sollten jedoch nicht exzessiv Rad fahren und auch bei gelegentlichem Radfahren auf einen passenden Sattel achten, denn hierfür wurde ein Zusammenhang mit Erektionsstörungen nachgewiesen. Bei leichten Beschwerden kann ein gezieltes Training der Beckenbodenmuskulatur hilfreich sein. Männer, die bereits unter Vorerkrankungen wie Diabetes leiden, sollten auf eine gute Blutzuckereinstellung achten. 

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine erektile Dysfunktion ist keine Bagatelle, sondern sollte von einem Arzt abgeklärt werden, da sie ein Vorbote für verschiedene Erkrankungen sein kann.
  • Zur Behandlung werden überwiegend PDE-5-Hemmer eingesetzt, sie haben eine Erfolgsquote von etwa 80 Prozent.
  • Für pflanzliche Präparate ist kein Nutzen nachgewiesen.