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Leseprobe PTAheute 18/2020: Desinfektionsmittel – Eins gegen alles?

In Desinfektionsmitteln sind Stoffe enthalten, die mit den Zellwänden von Mikroorganismen reagieren können und sie dadurch so schädigen, dass sie absterben oder inaktiviert werden. Sie wirken gegen Bakterien, Pilze, Sporen, Hefen und Viren. In Handdesinfektionsmitteln ist überwiegend Ethanol und/oder Isopropanol enthalten, seltener werden Halogene (Iod- und Chlorverbindungen) und quartäre Ammoniumverbindungen eingesetzt. In Flächendesinfektionsmitteln sind neben Alkoholen noch Aldehyde sowie Per- und Phenolverbindungen enthalten, die für die Haut zu schädlich sind. Nicht alle Desinfektionsmittel sind gleich wirksam, sie unterscheiden sich vor allem in ihrer Wirkung gegen Viren. Das lässt sich mit dem Aufbau von Viren erklären, die in behüllte und unbehüllte Viren eingeteilt werden (mehr dazu in der aktuellen PTAheute ab Seite 20).
Die Unterschiede
Bei Weitem nicht alle Desinfektionsmittel wirken gegen Viren und einige sind nur gegen einen Teil der Viren aktiv. Desinfektionsmittel mit einer solchen begrenzt viruziden Wirkung sind nur gegenüber behüllten Viren, also Viren, die von einer Lipidmembran umgeben sind, wirksam. Zu diesen Erregern gehören zum Beispiel die Influenzaviren, das SARS-CoV-2-Virus, das HI-Virus und das Hepatitis-B- und -C-Virus. Auch die in der Coronakrise von vielen öffentlichen Apotheken hergestellten Desinfektionsmittel fallen in diese Kategorie. Desinfektionsmittel mit der Kategorie „viruzid“ können sowohl behüllte als auch unbehüllte Viren inaktivieren. Dazu gehören zum Beispiel Sterillium® virugard oder Softa-Man® acute. Die breitere Wirkung erklärt sich durch den höheren Alkoholanteil. Ein Nachteil ist jedoch, dass sie schlechter hautverträglich sind. Neben diesen beiden Kategorien gibt es noch die Klassifizierung „begrenzt viruzid plus“ (z. B. Sterillium® med). Diese Kategorie erfasst zusätzlich drei unbehüllte Viren: Adeno-, Noro- und Rotavirus. Diese weisen, im Vergleich zu anderen unbehüllten Viren, eine partielle Lipophilie auf und sind daher leichter zu inaktivieren. Adenoviren sind Auslöser von Atemwegserkrankungen, Infektionen am Auge und Magen-Darm-Erkrankungen. Noroviren und Rotaviren sind häufige Durchfallerreger, eine Ansteckung ist für Kleinkinder und geschwächte Patienten gefährlich. Die Erweiterung des Wirkspektrums ist vor allem für medizinische Einrichtungen wichtig, da diese Produkte durch den im Vergleich zu viruziden Desinfektionsmitteln niedrigeren Alkoholanteil eine bessere Hautverträglichkeit aufweisen. Das ist ein wichtiger Punkt, wenn eine regelmäßige Händedesinfektion erforderlich ist.
Das Wichtigste in Kürze
- Desinfektionsmittel unterscheiden sich in ihrem Wirkspektrum vor allem bei den Viren.
- Die Angabe „begrenzt viruzid“ bedeutet, dass nur behüllte Viren inaktiviert werden, „viruzide“ Desinfektionsmittel wirken gegen alle Arten von Viren.
- In Privathaushalten sollten Desinfektionsmittel mit Bedacht verwendet werden.
Wirkspektren erklären
Welches das richtige Desinfektionsmittel für den Kunden ist, ist häufig nicht auf den ersten Blick ersichtlich, die Gebrauchsinformation oder Umverpackung bringt hier Klarheit. Die Hersteller müssen den Wirkungsbereich angeben, zum Beispiel finden sich die Angaben bakterizid, fungizid, levurozid (gegen Hefen), mykobakterizid (gegen Mykobakterien), tuberkulozid (gegen Tuberkulosebakterien) und begrenzt viruzid auf der Verpackung. Wünscht der Kunde etwas gegen Viren, muss von Desinfektionsmitteln, die nur als „bakterizid“ deklariert werden, abgeraten werden. Findet man die Angabe „RKI-Liste Bereich A und B“ auf der Umverpackung der Desinfektionsmittel, bedeutet dies, dass das Desinfektionsmittel vom Robert Koch-Institut untersucht und seine Wirksamkeit in standardisierten Tests nachgewiesen wurde. Die Liste findet man, wenn man auf www.ptaheute.de oben rechts im Suchfeld den Webcode V2BB6 eingibt. Die Kategorie A sagt aus, dass das entsprechende Produkt alle vegetativen Bakterien einschließlich Mykobakterien und Sporen abtötet.
Die Desinfektionsmittel, die mit der Kategorie B gekennzeichnet sind, weisen eine viruzide Wirkung auf. Zusätzlich wird in der Liste die Einstufung „begrenzt viruzid“ aufgeführt. Die Kategorie „begrenzt viruzid plus“ wird zwar in der Vorbemerkung der Liste erläutert, existiert in der Liste selbst bislang jedoch nicht. Weitere offizielle Listen für geprüfte Desinfektionsmittel sind die VAH-Liste (Verbund für angewandte Hygiene) und die IHO-Liste (Industrieverband für Hygiene- und Oberflächenschutz), in der Desinfektionsmittel für den Lebensmittelbereich zu finden sind.
Im Haushalt einsetzen
Auch wenn man es zu Hause gerne sauber hat, sind Desinfektionsmittel oder Produkte mit einer desinfizierenden Wirkung nicht erforderlich. Die von der Werbung versprochene „besondere Reinheit“ ist vor allem bei Kindern unnötig, ihr Immunsystem wird durch den Kontakt mit Keimen erst aufgebaut. Bei unsachgemäßem und zu häufigem Gebrauch können Desinfektionsmittel zu Hautreizungen und Allergien führen. Gelangen sie in größeren Mengen ins Abwasser, werden Wasserorganismen geschädigt. Nur in wenigen Ausnahmesituationen ist der Einsatz sinnvoll. Leidet beispielsweise ein Familienmitglied an einer hochansteckenden Krankheit, verringert die regelmäßige Anwendung eines Desinfektionsmittels das Ansteckungsrisiko. Auch bei Immunschwäche, zum Beispiel durch eine Krebserkrankung, sind Desinfektionsmittel wichtig. Erreger, die für Gesunde harmlos sind, können bei einem stark geschwächten Immunsystem zu Erkrankungen führen.
In der Krankenpflege
In medizinischen Einrichtungen ist eine Desinfektion immer zwingend erforderlich. In Krankenhäusern oder Pflegeheimen sind in der Regel am Eingang zu jeder Station, auf den Fluren und in jedem Patientenzimmer Desinfektionsmittelspender zu finden. Zum Schutz der Gesundheit müssen sich Besucher und Personal vor dem Betreten der Station und dem Patientenkontakt die Hände desinfizieren. Mittlerweile ist es sogar möglich, den Verbrauch an Desinfektionsmitteln personengenau zu erfassen und damit zu dokumentieren, wie gut sich Ärzte und Pflegepersonal an die vereinbarten Hygieneregeln halten. In medizinischen Einrichtungen dürfen nur Desinfektionsmittel eingesetzt werden, die vom Robert Koch-Institut empfohlen werden.
Die richtige Anwendung
Damit ein Desinfektionsmittel richtig wirken kann, muss eine ausreichende Menge in die trockenen Hände gegeben werden. Von den Herstellern werden meist drei Milliliter empfohlen, eine durchschnittlich große Hohlhand ist damit komplett ausgefüllt. Entnimmt man das Desinfektionsmittel aus einem Spender, entspricht das, je nach Einstellung, zwei bis drei Hüben. Auch die richtige Technik ist wichtig: Die gesamte Hand muss benetzt werden. Ringe und Armschmuck sollten vor der Desinfektion abgelegt werden, da das Desinfektionsmittel dort sonst nicht in ausreichender Menge hingelangt. Neben der Menge und der Technik ist eine ausreichend lange Einwirkzeit wichtig, damit die Erreger inaktiviert werden können. Die meisten Desinfektionsmittel mit begrenzt viruzider Wirkung müssen eine halbe Minute einwirken, bei einer viruziden Wirkung sind es anderthalb bis zwei Minuten. Diese Angaben finden sich in der Gebrauchsinformation. Entgegen einem immer noch weitverbreiteten Glauben sollten die Hände weder vor noch nach dem Händewaschen desinfiziert werden. Eine Händedesinfektion vor dem Händewaschen führt dazu, dass die durch den Alkohol bereits angelösten Hautfette mit dem Waschen abgespült werden und die Haut geschädigt wird. Auch das Desinfizieren nach dem Händewaschen schädigt die Haut. Außerdem wird die Wirkung des Desinfektionsmittels auf der hydratisierten Haut abgeschwächt.
Flächen desinfizieren
Ebenso wie die Hände sollten auch Flächen nur desinfiziert werden, wenn besondere Ansteckungsgefahr besteht oder immunsupprimierte Menschen im Haushalt leben. Um Erreger von Oberflächen zu entfernen, können diese eingesprüht oder abgewischt werden. Das Robert Koch-Institut empfiehlt für Privathaushalte eine Wischdesinfektion, da diese effektiver ist und bei einem Sprühvorgang eher die Gefahr besteht, dass das Desinfektionsmittel eingeatmet wird. Als Flächendesinfektionsmittel können Konzentrate verwendet werden, die gegebenenfalls verdünnt werden müssen und eine gewisse Einwirkzeit benötigen. Für Privathaushalte können zusätzlich fertig getränkte Tücher verwendet werden, da sie einfach anzuwenden sind. Bevorzugt sollten Bereiche desinfiziert werden, die von mehreren Menschen angefasst werden, zum Beispiel Türklinken, Lichtschalter oder Wasserhähne.
Reinigen, desinfizieren oder sterilisieren
Bei einer richtig durchgeführten Desinfektion und einem breit wirksamen Desinfektionsmittel können bis zu 99,9 Prozent der vorhandenen Mikroorganismen getötet beziehungsweise inaktiviert werden. Im Vergleich dazu wird bei einer Reinigung, die vom RKI als „Entfernung von Verunreinigungen (z. B. Staub, chemische Substanzen, Mikroorganismen, organische Substanzen) unter Verwendung von Wasser mit reinigungsverstärkenden Zusätzen“ definiert wird, die Anzahl der Erreger um 50 bis 80 Prozent reduziert. Deutlich strenger noch als die Anforderungen an Desinfektion sind die an eine Sterilisation. Abhängig vom eingesetzten Verfahren darf sich maximal ein Erreger in einer Million Einheiten des Sterilgutes befinden. Zur Durchführung werden überwiegend physikalische Methoden eingesetzt, zum Beispiel Hitze, UV-, Röntgen- oder Gammastrahlen, Wasserdampf oder eine Begasung mit Ethylenoxid. Nach der Sterilisation muss das Material in einer keimarmen Umgebung, zum Beispiel einem Reinraum, verpackt werden. Wird die Umverpackung geöffnet oder beschädigt, geht die Sterilität verloren.