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Was ist eigentlich PCOS und wie wird es therapiert?

Gebärmutter und Eileiter aus Papier
PCOS wird meist erst in Kombination mit einem unerfülltem Kinderwunsch festgestellt. | Bild: Alena / AdobeStock

Roche Diagnostics Deutschland GmbH stellte im April 2024 in einer Pressemitteilung einen neuen Bluttest vor. Der bisherige Test für Ärzte zur Bestimmung des AMH-Wertes ihrer Patientinnen erhält nun die CE-Kennzeichnung zur Unterstützung der Diagnose des polyzystischen Ovarialsyndroms (PCOS). 

Der Elecsys® Anti-Müller-Hormon (AMH) Plus Immunoassay ermöglicht erwachsenen Frauen mit Verdacht auf PCOS so, mit einem Bluttest anstatt eines transvaginalen Ultraschalls ein Stück mehr Gewissheit zu erlangen.

Gut zu wissen: Was ist das Anti-Müller-Hormon?

Das Anti-Müller-Hormon (AMH) ist ein Proteinhormon, was nur bei männlichen Embryonen und bei erwachsenen Frauen hergestellt wird.

Männliche Embryonen:

  • AMH bewirkt die Rückbildung der Müller-Gänge bis zur achten Schwangerschaftswoche, es bleiben nur kleine Hodenanhängsel zurück.
  • Weibliche Embryonen können kein AMH bilden; aus den Müller-Gängen bilden sich Gebärmutter, Scheidengewölbe und Eileiter

Frauen im gebärfähigen Alter:

  • AMH wird in den Eierstöcken produziert.
  • Es dient der Erhaltung der Eizellreserve im Ovar und ist somit ein wichtiger Indikator für die Fruchtbarkeit der Frau.
  • Es besteht eine direkte Korrelation zwischen der Anzahl reifungsfähiger Follikel und der AMH-Serumkonzentration. Die Konzentration bei 18- bis 30-Jährigen liegt bei 1–10 µg/l, danach beginnt der Pegel stark zu sinken.
  • Ein gesunkener AMH-Wert deutet auf sinkende Eizellreserven hin, was wiederum bedeutet, dass eine natürliche Schwangerschaft sehr viel weniger wahrscheinlich wird.

 

Was ist PCOS?

Das polyzystische Ovarialsyndrom oder Ovarsyndrom ist eine Erkrankung mit verschiedenen Symptomen, die in ihrer Ausprägung stark variieren können. Zur Diagnosestellung werden üblicherweise die Rotterdam-Kriterien von 2003 – aktualisiert 2023 – herangezogen. Nach ihnen liegt PCOS bei einer erwachsenen Frau vor, wenn zwei der folgenden drei Kriterien erfüllt sind:

  1. chronische Anovulation / Oligo- bzw. Amenorrhoe
  2. polyzystische Ovarien
  3. klinischer und/oder laborchemischer Hyperandrogenismus

Chronische Anovulation  
Unter einer Anovulation versteht man einen Menstruationszyklus, bei dem aus dem Eierstock keine Eizelle freigesetzt wird. Es findet also kein Eisprung statt, dementsprechend ist dabei auch keine spontane Befruchtung und Schwangerschaft möglich. Es sind allerdings nicht alle PCOS-Patientinnen davon betroffen.  

Eine Oligomenorrhoe liegt vor, wenn die Menstruationszyklen sehr unregelmäßig, zu kurz oder verlängert sind. Teilweise liegen sechs bis zwölf Wochen zwischen zwei Monatsblutungen. 

Bleibt die Menstruationsblutung über einen längeren Zeitraum komplett aus oder sind die Zyklen länger als 90 Tage, handelt es sich um eine Amenorrhoe. Da diese Phänomene oft mit unreifen Eizellen, weniger Eisprüngen bzw. eben einer Anovulation einhergehen, ist es für betroffene Patientinnen schwer bis teilweise unmöglich, ohne medizinische Hilfe schwanger zu werden.  

 

Polyzystische Ovarien 
Bei polyzystischen Eierstöcken liegen morphologische Veränderung (morphé – „Gestalt“) in einem, meist aber in beiden Ovarien vor. Polyzystisch bedeutet dabei, dass sich 20 (manche Quellen sagen zwölf) oder mehr Follikel/Zysten im Eierstock bilden und/oder das Volumen des Eierstocks 10 ml übersteigt. 
Bei einer gesunden Frau liegen pro Zyklus circa 6–10 Follikel vor, unter denen sich in der Regel ein Leitfollikel befindet, der eine reife Eizelle freigibt (Eisprung). Dass ein Eisprung aus einem polyzystischen Ovar stattfindet, ist deutlich unwahrscheinlicher, aber nicht ausgeschlossen. Auch hier gilt: Nicht alle Frauen mit PCOS haben polyzystische Eierstöcke.  

 

Hyperandrogenismus
Auslöser und vor allem Grund für mögliche Folgeerkrankungen des polyzystischen Ovarialsyndroms scheint ein hormonelles Ungleichgewicht im Blut zu sein. Vor allem die Sexualhormone sind beim PCOS häufig außer Balance. 
Während wichtige Hormone für die Eizellreifung und den Eisprung (FSH = follikelstimulierendes Hormon und LH = luteinisierendes Hormon) oft in einem ungünstigen Verhältnis zueinander liegen, tritt bei einem Großteil der PCOS-Patientinnen zusätzlich ein Überschuss an männlichen Sexualhormonen auf, den Androgenen (z. B. Testosteron).  

Welche Symptome treten bei PCOS auf?

Daher spricht man als Leitsymptom von einer Androgenisierung (auch Hyperandrogenismus oder Hyperandrogenämie). Neben Fruchtbarkeitsproblemen und Zyklusunregelmäßigkeiten leiden manche Frauen durch diese männlichen Hormone unter vermehrter Körperbehaarung (Hirsutismus), einer tieferen Stimmlage, einer Hypotrophie – also Zurückbildung der Brust –, fettiger Haut mit Akne und hormonell bedingtem Haarausfall (Alopezie).

Grafik zu den häufigsten Symptomen bei PCOS
Symptome wie Übergewicht, Insulinresistenz und polyzystische Ovarien treten bei PCOS besonders häufig auf. | Bild: Ariane Gerlach

Auch Stoffwechselstörungen, eine Gewichtszunahme bzw. Übergewicht bis hin zu Adipositas treten häufig im Rahmen des polyzystischen Ovarialsyndroms auf und sind unter anderem auf das hormonelle Ungleichgewicht zurückzuführen. 

Eine Insulinresistenz gehört sogar zu den häufigsten Symptomen. 50 Prozent der PCOS-Patientinnen erkranken bis zu ihrem 40. Lebensjahr an einem Typ-2-Diabetes.

Gut zu wissen: PCOS von anderen Erkrankungen abgrenzen

Vor der Diagnose „PCOS“ sollten alle anderen Erkrankungsbilder, die ähnliche Erscheinungen nach sich ziehen, ausgeschlossen werden, die sogenannten Differenzialdiagnosen:

Die wichtigste Differenzialdiagnose zu PCOS sind androgenbildende Tumoren wie Eierstockkrebs oder auch Nebennierenrindenkarzinome.

Weitere (hormonell bedingte) Differenzialdiagnosen wie das Cushing-Syndrom, klimakterisch bedingte Hormonschwankungen, Adrenogenitales Syndrom (AGS), eine Schilddrüsenunterfunktion u. a. sind möglich.

PCOS: häufigste hormonelle Erkrankung bei Frauen

PCOS ist mit einer Prävalenz von 8–15 Prozent in Europa die häufigste endokrine Erkrankung bei Frauen im gebärfähigen Alter. Das Syndrom manifestiert sich häufig zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. 

Gegenwärtig werden allerdings circa 70 Prozent der Fälle nicht diagnostiziert, da PCOS meist erst durch eine gewünschte, aber ausbleibende Schwangerschaft auffällt. Frauen ohne Kinderwunsch bzw. bei denen trotz PCOS eine natürliche Schwangerschaft eintritt, fallen in Sachen Diagnosestellung häufig durchs Raster. 

Ursachen für PCOS sind nicht geklärt

Trotz der Häufung von PCOS sind die Ursachen weitgehend unklar. Wahrscheinlich ist die Erkrankung in einem genetisch bedingten hormonellen Ungleichgewicht in der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse begründet – sprich einem Hormonchaos zwischen Hirn und Eierstöcken. 

Auch eine angeborene oder erworbene Insulinresistenz, Übergewicht und ein schlechter Lebensstil wirken sich negativ auf das Zyklusgeschehen aus.

Diagnose – wie wird ein PCOS erkannt?

Die Diagnostik des PCOS gestaltet sich umfangreich. Eine frühe Diagnose hilft, lebensstilorientierte und pharmakologische Maßnahmen rechtzeitig zu ergreifen, um die Entwicklung metabolischer und psychischer Folgen, aber auch die Aussicht auf eine gewünschte Schwangerschaft positiv zu beeinflussen. Meist suchen sich nur Frauen mit starken Symptomen oder unerfülltem Kinderwunsch medizinische Hilfe, deshalb bleiben so viele Fälle unerkannt.  

Zuallererst kann ein ausführliches Gespräch mit der Patientin (Beginn der ersten Periode, Menstruationszyklus, Pubertätsentwicklung, Familiengeschichte etc.) und eine körperliche Untersuchung mit Beurteilung der Haut und der Körperbehaarung den Ärzten einen guten Überblick verschaffen.

Über einen transvaginalen Ultraschall im Rahmen einer gynäkologischen Untersuchung lassen sich polyzystische Eierstöcke erkennen – diese stellen mit 78 Prozent das häufigste PCOS-Symptom dar. Im Ultraschall lassen sich einzelne Follikel erkennen und zählen und auch das Volumen des Eierstocks in ml messen. Bei einigen PCOS-Patientinnen sehen die Eierstöcke allerdings unauffällig aus.  

Mithilfe einer Blutuntersuchung kann der Hormonstatus beurteilt und ein Hyperandrogenismus festgestellt werden.  

Diese kann auch anstelle des Ultraschalls für z. B. noch sexuell inaktive Personen durchgeführt werden, bei denen durch die gynäkologische Untersuchung Unbehagen verursacht werden könnte bzw. kulturelle Werte verletzt werden.  

Nicht nur die Androgen-Werte im Blut sind Marker für ein PCOS. Auch der Serumspiegel des Anti-Müller-Hormons ist bei PCOS-Patientinnen laut aktueller Studienlage signifikant erhöht im Vergleich zu Frauen, die eine Hyperandrogenämie (zu viele männliche Sexualhormone im Blut) anderen Ursprungs aufweisen. Daher fand die Bestimmung des AMH-Wertes zur Diagnostik eines PCOS 2023 auch Einzug in die Rotterdam-Kriterien.  

Immunassay von Roche bestimmt AMH-Wert

Beim Elecsys AMH Plus Test entnimmt das medizinische Personal Blut von der Patientin. Das Testprinzip ist ein Immunassay, also eine klassische Antigen-Antikörper-Bindungsreaktion, wie sie auch bei einem simplen Schwangerschaftstest stattfindet. 

Der Test bestimmt den AMH-Wert und kann damit zur Beurteilung der Eizell-Reserve, zur Festlegung der Dosierung von Medikamenten (wie des humanen rekombinanten follikelstimulierenden Hormons FSH) im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung oder eben auch zur Unterstützung der Diagnose eines PCOS herangezogen werden.

Therapiemöglichkeiten bei PCOS

Insulinresistenz / metabolische Probleme

  • gesunde Ernährung
  • körperliche Aktivität
  • Gewichtsmanagement
  • Metformin (off-label)  
    Seit einigen Jahren erfreut sich der Off-Label-Use von Metformin im Rahmen einer PCOS-Therapie immer größerer Beliebtheit. Metformin trägt zur Verbesserung von Glucose- und Fettstoffwechsel sowie zur Zyklusregulation mit deutlicher Steigerung der Ovulationsrate bei. Als Add-on zur Fruchtbarkeitstherapie verbessert Metformin scheinbar das Ansprechen auf die Clomifen- und FSH-Stimulation mit einer Erhöhung der Schwangerschaftsraten. Ein positiver Effekt in der Frühschwangerschaft mit einer Reduktion der Fehlgeburtenrate wurde beobachtet. Das orale Antidiabetikum ist seit 2022 auch in der Schwangerschaft zugelassen, nach wie vor aber nicht offiziell zur Therapie des PCOS.

Androgenisierungserscheinungen  

  • kosmetische Behandlung (fettige Haut, Akne, starke Körperbehaarung)
  • medikamentös (off-label), z. B. hormonelle Kontrazeptiva – „die Pille“ mit 20–30 µg Ethinylestradiol bei Zyklusstörungen und Hirsutismus, wenn kein Kinderwunsch vorliegt
  • Antiandrogene wie Cyproteronacetat sollten nur bei unzureichender Kontrolle durch die Pille eingesetzt werden (Achtung, fruchtschädigend! Auf sichere Verhütung achten, oft therapeutisch mit der Pille kombiniert). Nicht bei Kinderwunsch.

PCOS belastet Betroffene oft auch psychisch

Betroffene Frauen haben neben den körperlichen Erscheinungen häufig auch mit mentalen Problemen zu kämpfen. Sie haben ein höheres Risiko für Essstörungen, leichte bis mittelgradige Depressionen und Angststörungen

Adipositas und Unfruchtbarkeit bzw. ein „erschwertes Schwangerwerden“ und die Körpermerkmale durch den Testosteron-Überschuss können die Lebensqualität stark beeinträchtigen.

 Je nach Ausmaß sollten Betroffenen psychologische Unterstützung und falls erforderlich auch eine medikamentöse, also antidepressive, Therapie angeboten werden.

Kinderwunsch und Schwangerschaft mit PCOS

Für Frauen mit PCOS und Kinderwunsch gelten die allgemeinen Empfehlungen bezüglich Ernährung, Folsäureeinnahme, Gewichtsmanagement, Alkohol- und Nikotinkonsum. 

Da bei PCOS-Patientinnen häufiger Schwangerschaftskomplikationen wie Bluthochdruck, Präeklampsie, Fehl- und Frühgeburten, Wachstumsverzögerungen beim Kind und vor allem ein Gestationsdiabetes auftreten, werden regelmäßige Blutdruck- und Blutzuckerkontrollen durchgeführt.  

Bleibt der Kinderwunsch mit oder durch das PCOS auf natürlichem Weg unerfüllt, können die Eizellreifung und der Eisprung medikamentös unterstützt werden, z. B. mit Letrozol oder Clomifen in Tablettenform oder auch durch Hormonspritzen (LH, FSH, GnRH). 

Diese Therapien werden in den meisten Fällen von speziellen Kinderwunschzentren veranlasst und begleitet, nicht selten nehmen die PCOS-Patientinnen dort auch eine künstliche Befruchtung auf sich, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Dabei werden Ei- und Samenzelle außerhalb des Körpers zusammengebracht und sind so von einem (nicht) vorhandenen Eisprung unabhängig. Diese oft zeit-, kosten- und nervenintensive Behandlung sollte auch auf psychologischer Ebene nicht unterschätzt werden.

Quellen

https://www.roche.de/presse/news/roche-test-unterstuetzt-ab-sofort-auch-bei-der-diagnose-des-polyzystischen-ovarsyndroms

https://flexikon.doccheck.com/de/Polyzystisches_Ovarialsyndrom?utm_source=www.doccheck.com&utm_medium=DC%2520Search&utm_campaign=DC%2520Search%2520content_type%253Aall&utm_content=DC%2520Search%2520pcos

https://flexikon.doccheck.com/de/Anti-Müller-Hormon?utm_source=www.doccheck.com&utm_medium=DC%2520Search&utm_campaign=DC%2520Search%2520content_type%253Aall&utm_content=DC%2520Search%2520amh

https://www.pcos-selbsthilfe.org/media/2014/PCOS-Patientinnen-Broschuere-2014.pdf

https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-2003-40470#

https://www.cyclotest.de/pco-syndrom/
https://www.limbachgruppe.com/fileadmin/downloads/Arztinformationen/LaborAktuell/LaborAktuell_PCOS.pdf
 

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