Ginkgo – pflanzliche Hilfe bei Gedächtnisstörungen
Seit 320 Millionen Jahren bevölkern Vertreter der Ginkgoales die Erde. Die Spezies Ginkgo biloba überstand die Eiszeiten und einzelne Exemplare auch menschengemachte Katastrophen. Dieser Überlebenskünstler fasziniert aber auch in pharmakologischer Hinsicht. Das Inhaltsstoffspektrum seiner Blätter ist einzigartig – ein Nutzen unter anderem für die Behandlung geistiger Leistungseinbußen.
Ginkgo: Namensbezeichnung dank Druckfehler
Auf kuriose Art kam der Ginkgo zu seinem Namen: Ende des 17. Jahrhunderts entdeckte der deutsche Forschungsreisende Engelbert Kaempfer in Japan den eigentümlichen Baum. Die fleischigen Samen der weiblichen Ginkgo-Bäume inspirierten ihn zur Namensgebung „Silberaprikose“. Auf Japanisch heißt dies „Ginkyo“. Durch einen Druckfehler entstand daraus „Ginkgo“. Diese Schreibweise behielt man einfach bei.
In der botanischen Nomenklatur bekam der Ginkgo später noch die Artbezeichnung „biloba“. Das bedeutet „zweilappig“ und beschreibt die charakteristische Blattform.
So wurde der Ginkgo-Baum verbreitet
Um 1730 kam Ginkgo biloba nach Europa. In den Fürstenhäusern hatte man damals eine Vorliebe für exotische Gewächse. Vielerorts wurden daher diese ostasiatischen Bäume mit ihren fächerförmigen, im Herbst goldgelb leuchtenden Blättern angepflanzt.
Eigentlich handelte es sich damals um eine Wiederkehr von Ginkgo biloba. Denn bis vor 30 Millionen Jahren besiedelten er und seine Artverwandten die gesamte nördliche Hemisphäre. Während die anderen Ginkgo-Arten ausstarben, überlebte Ginkgo biloba in einigen Regionen Chinas – als einziger Vertreter der Pflanzenfamilie Ginkgoaceae.
Buddhistische Tempelmönche entdeckten den Baum vor circa 900 Jahren wieder und verbreiteten ihn bis Japan. Er wurde in Tempelgärten kultiviert. Daher stammt auch der Name „Japanischer Tempelbaum“. Mittlerweile hat der Mensch den Ginkgo-Baum über die gesamte Erde verbreitet.
Ginkgo – ältester Baum und lebendes Fossil
Ginkgo biloba gilt stammesgeschichtlich als ältester Baum der Erde. Allerdings ist er weder Laub- noch Nadelbaum. Vielmehr nimmt er eine Sonderstellung ein – als Bindeglied zwischen den Farnen und den Koniferen.
Daher haben Ginkgo-Blätter keine Mittelrippe. Die Blattnerven verlaufen parallel und sind gabelig verzweigt – ähnlich wie bei den Farnen. Der Ginkgo wird auch als „lebendes Fossil“ bezeichnet, denn er hat sich über die riesige Zeitspanne von 150 Millionen Jahren praktisch nicht verändert.
Das „Wunder von Hiroshima“
Dass der Ginkgo an der Evolution praktisch nicht teilgenommen hat, liegt wohl an seiner enormen Anpassungsfähigkeit. So können ihm weder große Temperaturschwankungen noch Krankheiten oder Schädlinge etwas anhaben.
Auch gegen sämtliche Formen heutiger Umweltverschmutzung zeigt sich der Ginkgo erstaunlich resistent. Deshalb wird er in vielen Großstädten an stark befahrenen Straßen angepflanzt.
Wie widerstandsfähig der Ginkgo ist, zeigte sich besonders eindrucksvoll im August 1945 bei der Atombombenexplosion in Hiroshima: In einem Tempelbereich nahe dem Epizentrum der Explosion verbrannte ein Ginkgo-Baum fast vollständig. Doch schon im Frühjahr 1946 trieb er wie durch ein Wunder wieder grün aus – als erste Pflanze überhaupt.
Ginkgo symbolisiert Hoffnung und Fruchtbarkeit
Schon vor dem „Wunder von Hiroshima“ wurde der Ginkgo in vielen Kulturen verehrt – als Symbol für Stärke und Hoffnung sowie für Fruchtbarkeit und langes Leben. Die Ästhetik der fächerförmigen Blätter inspirierte außerdem Dichter und Künstler.
Ein berühmtes Beispiel sind Goethes Ginkgo-biloba-Verse („… sind es zwei, die sich erlesen, dass man sie als eines kennt …“). Das Ginkgo-Blatt steht hierbei als Symbol für Vereinigung und Trennung. Künstler des Jugendstils wählten das Ginkgo-Blatt gerne als dekoratives Element für Geländer und Fassaden.
Einzigartige Wirkstoffe mit positiven Effekte
Seit einigen Jahrzehnten erfährt der Ginkgo erneute Wertschätzung – in medizinischer Hinsicht. In den frühen sechziger Jahren begannen deutsche Wissenschaftler, Extrakte aus Ginkgo-Blättern systematisch zu erforschen. Denn in Ginkgo-Blättern stecken Substanzen, die bisher in keiner anderen Pflanze gefunden wurden. Es handelt sich um spezifische Terpenlaktone, insbesondere Ginkgolide sowie Bilobalid. Weiterhin sind unter anderem Flavonoide und Proanthocyanidine enthalten.
Es zeigte sich, dass Blattextrakte mit diesem Wirkstoffspektrum positive pharmakologische Effekte haben. So verbessern sie zum Beispiel die Fließeigenschaften des Bluts, insbesondere in den kleinsten Blutgefäßen wie etwa im Gehirn. Die Zellen werden besser mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Außerdem vermag Ginkgo-Blattextrakt schädliche Sauerstoffradikale zu inaktivieren und die für die Energiegewinnung zuständigen Mitochondrien zu stabilisieren. Auch das cholinerge und dopaminerge Neurotransmittersystem wird unterstützt.
Ginkgo bei nachlassender geistiger Leistungsfähigkeit
Diese Eigenschaften machen Ginkgo-Blattextrakt zu einem geeigneten Mittel für die Verbesserung der Hirnleistung. Tatsächlich zeigt sich eine symptomatische Wirksamkeit schon bei ersten kognitiven Einbußen.
In zahlreichen klinischen Studien ist die Verbesserung kognitiver Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis belegt. Ebenso lassen sich begleitende Verhaltenssymptome wie Unruhe, Angst und Reizbarkeit lindern sowie Lebensqualität und Alltagskompetenz verbessern. Die meisten Studienergebnisse wurden mit dem Ginkgo-Spezialextrakt EGb 761® (z. B. in Tebonin® konzent® 240 mg) gewonnen.
In Leitlinie aufgenommen
Ausdrücklich als Behandlungsoption erwähnt wird dieser Spezialextrakt in der Fassung der Leitlinie „Demenzen“, die von führenden deutschen Fachgesellschaften im Jahr 2016 herausgegeben wurde. Demnach eignet sich der Ginkgo-biloba-Extrakt EGb 761® für Patienten mit leichter bis mittelgradiger Alzheimer- oder vaskulärer Demenz, vor allem wenn zusätzlich Verhaltenssymptome vorliegen.
In der Indikation Demenzen ist Ginkgo-Spezialextrakt in der Tagesdosierung 240 mg verordnungs- und erstattungsfähig. Auch die europäische Arzneimittelbehörde hat nach jahrelanger Beratung mit Experten aus allen EU-Mitgliedsländern den Einsatz von standardisiertem Ginkgo-Extrakt u. a. zur Behandlung von altersassoziierten geistigen Leistungseinbußen positiv bewertet. Die Anforderungen des Arzneibuchs erfüllen auch weitere standardisierte Extrakte, wie zum Beispiel in Gingium® extra 240 mg, Ginkgo-Maren® 240 mg und Ginkobil® ratiopharm 240 mg.
Wann wird Ginkgo noch empfohlen?
Ginkgo-Extrakt ist außerdem für folgende Indikationen zugelassen:
- Tinnitus,
- Schwindel und
- periphere arterielle Verschlusskrankheit.
Weiterer Forschungsbedarf besteht hinsichtlich der Frage, ob Ginkgo-Extrakt, frühzeitig eingenommen, ein Nachlassen der geistigen Leistungsfähigkeit vorbeugend verhindern kann.
Qualität muss stimmen
Die Wirksamkeit von Ginkgo-Präparaten hängt entscheidend von der ausreichenden Dosierung und einer hochwertigen Qualität des Extrakts ab. So wird eine Extrakt-Tagesdosis von 240 mg empfohlen. Der Extrakt muss quantifiziert sein, also eine festgelegte Mindestmenge an wirksamkeitsrelevanten Ginkgoliden, Bilobalid sowie Flavonoiden enthalten. Gleichzeitig müssen bei der Extraktherstellung die toxischen und allergenen Ginkgolsäuren weitgehend entfernt werden. Ihr Gehalt im Extrakt darf 5 ppm nicht übersteigen.
Nichtapothekenpflichtige Ginkgo-Präparate, meist Nahrungsergänzungsmittel, erfüllen diese Voraussetzungen häufig nicht. Auch von Ginkgo-Tee ist abzuraten, da er große Mengen an Ginkgolsäure enthalten kann.
Bei Ginkgo auf mögliche Risiken achten
Natürlich können Ginkgo-Extraktpräparate keine Wunder vollbringen. Doch bei nachlassender geistiger Leistungsfähigkeit kann es schon ein Erfolg sein, wenn sich der Zustand stabilisiert oder der Patient emotional stabiler ist.
Die Einnahme sollte regelmäßig über mindestens acht Wochen erfolgen. In der Regel sind diese Arzneimittel in der vorgegebenen Dosierung auch bei Einnahme über Jahre hinweg gut verträglich.
Kopfschmerzen, leichte Magen-Darm-Beschwerden sowie allergische Hautreaktionen sind mögliche Nebenwirkungen. Da Ginkgo-Extrakt die Fließeigenschaften des Blutes beeinflusst, können in Einzelfällen unerwartete Blutungen auftreten. Daher sollte – bei gleichzeitiger Anwendung blutgerinnungshemmender Medikamente – die Einnahme zunächst mit einem Arzt besprochen werden.